Ein Multi-Asset-Ansatz für den Weg bis zum Jahresende 2022

5 min zu lesen 22 Sep. 22

Das Jahr war für die Märkte bislang schwierig. Auch das kürzliche „Sommerhoch“ an den Aktien- und Unternehmensanleihemärkten liefert mehr Fragen als Antworten für Anleger, die ihre Portfolios mit Blick auf das Jahresende 2022 positionieren möchten.

Fundamentaldaten

Das makroökonomische Bild bleibt äußerst komplex. Während sich die Einflüsse der Pandemie weiter zurückbilden, zeichnen sich in verschiedenen Teilen der Welt neue Trends ab.

Der Inflationsdruck ist nach wie vor hoch. Der Höhepunkt der Inflation könnte zwar hinter uns liegen, da sich die Engpässe in den Lieferketten weiter auflösen. Allerdings sind die Energiekosten weiterhin sehr volatil, und die Kosten für Lebensmittel, Wohnraum und Arbeit bleiben hoch. Daher konzentrieren sich die Zentralbanken weiterhin auf die Bekämpfung des Preisauftriebs (soweit möglich), um die Inflationserwartungen zu dämpfen.

Wirken sich die hohe Inflation und die höheren Zinssätze bereits auf die Wirtschaftstätigkeit aus? Und in welchem Maße? Das ist schwer zu sagen. Die Ertragslage ist nach wie vor stabil, doch die Wachstumsaussichten beginnen sich zu verschlechtern. Die schwachen BIP-Daten in den USA wurden durch verschiedene Faktoren beeinflusst – unter anderem durch Lagerbestände und Bilanzverschiebungen. Die Frühindikatoren beginnen nun jedoch, in allen Regionen negativer zu werden (ISM, PMI, FED-Frühindikatoren usw.). 

Hinzu kommt: Der Arbeitsmarkt ist – besonders in den USA – nach wie vor angespannt. Die Zahl der Beschäftigten und die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung deuten nach wie vor auf einen sehr robusten Trend hin; die Erwerbsquote dagegen liegt überraschenderweise weiterhin unter dem Vor-Pandemie-Niveau.

Es ist nicht unsere Aufgabe, die künftigen Wirtschaftsdaten zu prognostizieren. Wir beobachten lediglich die Entwicklung dieser Fundamentaldaten und interpretieren die Reaktionen der Marktteilnehmer, um potenzielle Anlagemöglichkeiten zu ermitteln.

Märkte

Die Aktien- und Anleihemärkte haben seit Jahresbeginn mit Wertverlusten und „Abwertungen“ auf das sehr komplexe fundamentale Umfeld reagiert – ungeachtet der relativ stabilen Unternehmensgewinne. Daher sind Aktien und Unternehmensanleihen heute günstiger bewertet als am Jahresanfang; dies gilt auch nach der jüngsten Erholung. Möglicherweise genügt dies jedoch noch nicht, um die Anleger für das Risiko einer drohenden Rezession zu entschädigen. Sollten die Zinssätze im Kampf gegen die Inflation weiter steigen, könnten die Bewertungsmultiplikatoren gegenüber Cash weiter leiden.

Seit Jahresbeginn ist eine hohe Korrelation zwischen den Anlageklassen zu beobachten. Das ist wichtig für Multi-Asset-Anleger, da dieser Umstand ihnen nur begrenzte Möglichkeiten zur Diversifizierung bietet – sieht man von Cash-Positionen ab. Bis Ende 2022 werden die Zinssätze wahrscheinlich steigen, sodass die einzelnen Vermögenswerte daher weiter positiv korrelieren könnten. Und wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen schneller verschlechtern und sich die Zinsaussichten ändern? Dann könnten Staatsanleihen ein dringend benötigtes Element der Diversifizierung für risikoarme Multi-Asset-Portfolios darstellen.

Das „Sommerhoch“ hat einen ordentlichen Kursanstieg an den Aktien- und Unternehmensanleihemärkten mit sich gebracht. Dies hat einige der Trends umgekehrt, die in der ersten Jahreshälfte herrschten. Es wäre interessant zu wissen, ob es einen echten Stimmungsumschwung bei den Anlegern gab oder nur eine Anpassung nach den einbrechenden Kursen im Juni.

Psychologie

Welche Stimmungslage steht hinter den Kursbewegungen der letzten Zeit? Ein Versuch, dies zu verstehen, könnte beim Erkennen von Anlagemöglichkeiten für die kommenden Monate helfen.

Insgesamt bleibt die Stimmung sehr pessimistisch: Bloomberg Economics taxiert die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA in den nächsten 12 Monaten auf 50 %.

Die Anleger sind jedoch weniger pessimistisch als beim Höchststand im Juni, besonders da es weitere Zinserhöhungen gab und sich die Inflation beschleunigte. Der Nachrichtenfluss war jedoch weiterhin recht negativ, besonders nach der Veröffentlichung neuer Daten. Viele Marktteilnehmer gaben zudem düstere Prognosen für die kommenden Monate ab, die oft im Gegensatz zu den lebhaften Märkten im Juli und Anfang August standen. Als Faktor für die jüngste Markterholung wurden häufig geringere Kapitalströme angeführt –ohne wirkliche Beweise dafür zu erbringen.

Die jüngste Neubewertung der Märkte und die neuen US-Inflationsdaten haben den Marktteilnehmern möglicherweise eine gewisse Atempause verschafft. Viel Optimismus ist bei den Anlegern jedoch nicht zu erkennen. Sie scheinen sich mehr auf die Inflation und die Zinssätze als auf das Wachstum zu konzentrieren. Dies mag auch an kurzen Zeithorizonten und der Konzentration auf das „Hier und Jetzt“ liegen.

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit in all ihren Formen ist nach wie vor ein grundlegender Trend. Wir sind überzeugt, dass er unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften in den kommenden Jahren prägen wird: von Sozialreformen über eine stärkere Rolle der öffentlichen Hand bis hin zu einer stärkeren Beachtung der biologischen Vielfalt und des Schutzes von Ökosystemen.

Die jüngste Gesetzgebung in diesem Kontext ist der „Inflation Reduction Act“ in den USA, der am 16. August in Kraft getreten ist. Das Gesetz soll den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft unterstützen. Unternehmen bietet es Anreize und Steuergutschriften für Investitionen im Zusammenhang mit der Energiewende; das gilt etwa für Elektrofahrzeuge, Solaranlagen und höhere Energieeffizienz.

Die Finanzierung wird zum Teil durch eine Mindeststeuer von 15 % auf Unternehmensgewinne finanziert. Davon abgesehen setzt das Gesetz ganz auf positive Incentives und nicht auf negative Anreize. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu früheren – oft nicht sehr wirksamen – Rechtsvorschriften.

Das Gesetz hat einen interessanten Namen, der in einem gewissen Widerspruch zum Glauben an eine „grüne Inflation“ steht. Die Anreize steigern wahrscheinlich die Nachfrage nach CO2-armen Technologien (und den dafür benötigten Rohstoffen). Dies könnte die Preise kurzfristig in die Höhe treiben. Längerfristig jedoch könnte eine Wirtschaft, die weniger von schwankenden Öl- und Gaspreisen abhängt, ein stabileres und niedrigeres Inflationsprofil aufweisen. In diesem Sinne könnte der Übergang zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft, die sich viel stärker auf einen Mix aus Windenergie, Solarstrom, Erdwärme, Kernkraft und Wasserstoff stützt, ein nützliches Instrument zur Bekämpfung der langfristigen Inflation sein.  

Der Weg bis Ende 2022

Für Multi-Asset-Portfolios ohne Short-Strategien gab es in diesem Jahr keinen Platz zum Verstecken. Es gab jedoch Gelegenheiten für taktische Umschichtungen – sowohl bei festverzinslichen Wertpapieren als auch bei Aktien. Auch eine höhere Cash-Quote hatte einige Vorteile, wenn unterschiedliche Anlageklassen in Phasen des Ausverkaufs am Markt gleichzeitig einbrachen.

Wie lassen sich unsere Multi-Asset-Portfolios für das restliche Jahr 2022 am besten positionieren? Wir sind überzeugt, dass zum ersten Mal seit langer Zeit eine neutrale Position in Aktien gerechtfertigt ist. Bei den Aktien bevorzugen wir weiterhin günstigere Märkte wie Europa, Japan und globale Finanzwerte. Für unsere nachhaltigen Strategien sehen wir Chancen bei ausgewählten US-Technologietiteln und erneuerbaren Energien.

Die Fundamentaldaten sind herausfordernd. Die Bewertungssignale fallen nach der Erholung im Sommer gedämpfter aus, und die Anleger bleiben pessimistisch (wenn auch weniger extrem als zu Beginn des Jahres). Unsere Portfolios sind so positioniert, dass sie von möglichen makroökonomischen Verbesserungen – niedrigere Inflation und stabiles Wachstum – und einer verbesserten Anlegerstimmung profitieren können. Zugleich sind sie relativ widerstandsfähig gegenüber möglicherweise weiter verschlechterten Fundamentaldaten – also einem niedrigeren und sich verschlechternden Wachstum sowie stabilen oder sinkenden Zinsen. Dabei sind wir weiterhin bereit, mit freien Cash-Beständen jede taktische Gelegenheit zu nutzen, die sich am Markt ergeben könnte. 

Der Wert der Vermögenswerte des Fonds und die daraus resultierenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben.

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