Schlägt jetzt die Stunde der Anleihen?

9 min zu lesen 21 Sep. 22

Auf einen Blick

  • Die Anleger sind zunehmend über das Risiko einer weltweiten Rezession besorgt, zumal die unsichere Gasversorgung die Wirtschaftstätigkeit in Europa beeinträchtigen dürfte. 
  • Es gibt Anzeichen dafür, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Allerdings glauben wir, dass viele der inflationsdämpfenden Faktoren – etwa die Globalisierung – sich nach und nach abschwächen könnten. 
  • Nach den erheblichen Kursrückgängen im bisherigen Jahresverlauf sind wir der Meinung, dass sich für flexible und diversifizierte Anleger bei festverzinslichen Wertpapieren langfristige Chancen ergeben können.

Die Erholung nach der Pandemie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit weltweit große Investitionen in Infrastruktur erfordern. Tatsächlich haben Regierungen in aller Welt bereits entsprechende Pläne angekündigt, um die Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. Die USA haben ein 1,2 Billionen US-Dollar schweres Programm aufgelegt. Damit soll die marode amerikanische Infrastruktur repariert, modernisiert und ausgebaut werden. Die Europäische Union verfolgt einen „Green Deal“. Damit will sie erneuerbare Energien und sauberen Verkehr fördern.

Wir sind überzeugt, dass börsennotierte Infrastrukturunternehmen nicht nur von der Umstellung auf erneuerbare Energien profitieren könnten. Sie sind auch ein potenzieller Nutznießer anderer langfristiger struktureller Trends, etwa der digitalen Konnektivität und der demografischen Entwicklung. Das sind starke Themen, die unserer Meinung nach noch viele Jahrzehnte prägen werden. In diesem Umfeld sind wir ausgesprochen zuversichtlich, was die langfristigen Chancen der börsennotierten Infrastruktur betrifft.

Investieren für eine bessere Zukunft

Wir bei M&G sind überzeugt, dass sich die Investmentbranche weiterentwickeln muss. Wir glauben nicht an kurzfristiges Denken und das Streben nach schnellen Gewinnen. Bei der Suche nach Anlagemöglichkeiten zählen unserer Meinung nach vorausschauendes Denken, eine langfristige Perspektive und ein aktiver Ansatz. Indem wir auf pragmatische und massvolle Weise nachhaltig investieren, können wir auf eine bessere Zukunft für alle hinarbeiten – und positive Renditen für Anleger und den Planeten anstreben.

Der Wert der Vermögenswerte des Fonds kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Bitte beachten Sie, dass bei Erwähnung von Wertentwicklungen die frühere Wertentwicklung keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung darstellt.

Steigende Temperaturen und Preise

Zumindest in Europa war der Sommer unerbittlich trocken, heiss, belastend und unberechenbar. Die bereits sehr hohe Inflation bereitet weiterhin große Sorgen. Die steigenden Lebenshaltungskosten beunruhigen nicht nur Arbeitnehmer (die Zahl der Tarifkonflikte hat zugenommen), sondern auch Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen.

Die Regierungen versuchen gegenzusteuern: mit einer Kombination aus Steuerpolitik, Preisobergrenzen, Einsparplädoyers und Energiehandelsabkommen mit Nachbarländern. Auf diese kann Frankreich etwa Deutschland mit Gas beliefern, während Deutschland im Gegenzug Frankreich Strom anbieten kann. Im Vereinigten Königreich wurde eine Begrenzung des Preisanstiegs bei den Energierechnungen erwogen, verbunden mit der Rücknahme einiger Steuererhöhungen; die Energierechnungen sollen im Oktober von bisher durchschnittlich 1.971 £ auf nicht mehr als rund 2.500 £ steigen. Die Deckelung der Energiepreise auf ein als erschwinglich geltendes Niveau war die erste Maßnahme, die Liz Truss als neue Premierministerin ankündigte. Es gibt jedoch Warnungen, dass viele Familien dennoch in arge Bedrängnis geraten könnten. Unterdessen hat Deutschland ein 65-Milliarden-Euro-Entlastungspaket mit Steuererleichterungen und Hilfen für die Schwächsten angekündigt.

Mit Blick auf den Herbst könnten viele bereits bekannte Ereignisse zu Marktschwankungen führen. Die EZB hat die Zinssätze um 75 Basispunkte erhöht und für die kommenden Monaten weitere Zinsschritte angekündigt. Die US-Notenbank Fed wird die Zinsen voraussichtlich noch im September erneut erhöhen. In Italien finden gegen Ende September vorgezogene Neuwahlen statt. Den Umfragen zufolge könnte die rechtsextreme Partei „Fratelli d’Italia“ daraus als Siegerin hervorgehen. Die Sorgen um die russischen Gaslieferungen werden voraussichtlich anhalten. Auch der Krieg in der Ukraine dauert an, ohne dass eine kurzfristige Lösung absehbar wäre.

In den USA ist eine weitere Straffung der Geldpolitik bereits angekündigt. Daher sollte sie theoretisch bereits eingepreist sein. Anhaltende Spannungen gibt es weiterhin um Taiwan. Die strenge chinesische COVID-19-Politik muss ebenso genau beobachtet werden wie der dortige Immobilienmarkt – angesichts gefallener Preise und der Weigerung von Käufern, Hypotheken für unfertige Häuser zu bedienen. 

Von Inflation zu Rezession

Anhaltend hohe Inflation, eine zunehmend aggressive Rhetorik der Zentralbanken weltweit: Es war zweifellos ein brutales Jahr für die Rentenmärkte. Im Sommer haben sich die Sorgen und Unsicherheiten an den Märkten noch verstärkt. Dies führte zu starken Verkäufen in der gesamten Anlageklasse. Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen stiegen bis auf 3,5 %, nachdem sie Anfang 2022 noch bei rund 1,5 % gelegen hatten.

Diese Entwicklung spiegelte sich im Wesentlichen auch auf den Staatsanleihemärkten der anderen Industrieländer wider. Sowohl die EZB als auch die Bank of England haben ihre eigenen Zinserhöhungszyklen eingeleitet, um die steigende Inflation zu bekämpfen. Anfang September erreichte die Rendite für 10-jährige britische Staatsanleihen 3 % – der höchste Stand seit 2014.  

In den letzten Monaten hat sich das Inflationsbild jedoch gewandelt. Die Märkte konzentrieren sich nun stärker auf das Risiko einer weltweiten Rezession. Die Zinskurve der Staatsanleihen ist mittlerweile tief invertiert; für kürzere Laufzeiten werden also höhere Zinsen gezahlt als für längere. Das deutet darauf hin, dass die Anleihemärkte anfangen, den aktuellen Zinserhöhungszyklus zu durchschauen – und die Wahrscheinlichkeit einpreisen, dass die Fed im Jahr 2023 mit Zinssenkungen auf ein verlangsamtes Wachstum reagieren muss.

In Europa ist das Risiko einer Konjunkturabschwächung wahrscheinlich am größten; dafür sorgen die Unsicherheiten bei der Gasversorgung. Auf das deutsche Wachstum könnte sich das besonders stark auswirken. Angesichts der nahezu zweistelligen Inflationsraten in Europa muss die EZB unserer Meinung nach die Zinsen jedoch vorerst weiter erhöhen, um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren – sie weiß, dass sie sichtbare Maßnahmen ergreifen muss. Aber wie weit muss die Inflation fallen, damit die Zentralbank zu einer erneuten Lockerung ihrer Politik bereit ist? Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. In der Zwischenzeit könnten andere Maßnahmen zur Ankurbelung des europäischen Wachstums ergriffen werden, etwa erneute steuerliche Anreize.

Im Vereinigten Königreich erleben wir eine sehr hohe Inflation, verbunden mit einem sich deutlich abkühlenden Wachstum. Die Bank of England scheint die Zügel etwas weniger anzuziehen als andere Zentralbanken, sogar als die EZB. Zudem bleibt das Pfund Sterling auf Talfahrt. Es verzeichnete kürzlich den stärksten monatlichen Rückgang gegenüber dem US-Dollar seit dem Brexit-Referendum im Jahr 2016. Dies wird den Kostendruck weiter erhöhen, da die britische Wirtschaft importintensiv ist. Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass die Inflation in Großbritannien noch längere Zeit höher liegen könnte als in anderen Regionen. Wir bleiben vorsichtig, was die Aussichten für das Pfund Sterling und britische Vermögenswerte im Allgemeinen angeht.

Wie geht es weiter mit der Inflation?

Auch wenn die Unsicherheit hoch bleibt: Es gibt Anzeichen dafür, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt überschritten haben könnte und der Preisauftrieb im weiteren Verlauf des Jahres nachlässt. Die Lieferketten normalisieren sich allmählich wieder. Auch die Preise für Kupfer, Öl und andere Rohstoffe haben nachgegeben. Auf der Nachfrageseite dürften höhere Zinssätze und eine restriktivere Finanzpolitik das Wirtschaftswachstum abkühlen, und dies sollte sich dämpfend auf die Inflation auswirken. Hinzu kommen starke Basiseffekte. Wir halten es daher für möglich, dass die Inflation in den USA bis zum nächsten Jahr unter 4 % fallen könnte. Doch es gibt natürlich viele Faktoren, die diese Entwicklung schnell umkehren könnten.

Wie sieht es für die Zeit nach 2023 aus? Unserer Einschätzung nach könnte es für die Fed dann schwieriger werden als früher, die Inflation unter 2 % zu halten. Viele der Triebkräfte für die seit Jahren niedrige Inflation könnten allmählich nachlassen. Besonders die Globalisierung dürfte in Zukunft weniger Wirkung entfalten. Das zeigt sich etwa bei der Rückverlagerung von Lieferketten ins Inland sowie dem verstärkten Einsatz von Zöllen und anderen Handelsrestriktionen.

Ein Umfeld mit allmählich sinkender Inflation und nachlassendem Wachstum könnte den globalen Anleihemärkten zugutekommen. Wir sind mit einer deutlich untergewichteten Duration in das Jahr 2022 gegangen. Im bisherigen Jahresverlauf haben wir das Zinsrisiko in unseren Portfolios schrittweise erhöht; derzeit bevorzugen wir bei der Duration eine eher neutrale Positionierung.

Chancen: nicht nur bei Unternehmensanleihen

Auch die Märkte für Unternehmensanleihen sind im Jahr 2022 unter Druck geraten. Die harte Haltung der US-Notenbank war erneut ein Hauptgrund für die verschlechterte Stimmung. Die Renditen von US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating sind jetzt höher als auf dem Höhepunkt der COVID-19-Krise. Der größte Unterschied zu damals besteht darin, dass der Renditeanstieg diesmal hauptsächlich auf einen höheren risikofreien Zinssatz zurückzuführen ist. Die Risikoaufschläge dagegen haben sich recht gut gehalten.

Derzeit scheinen die Märkte für Unternehmensanleihen einen Abschwung einzupreisen, aber keine echte Rezession. Daher halten wir den Zeitpunkt für günstig, um ein etwas höheres Kreditrisiko einzugehen. Allerdings gehen wir weiterhin sehr selektiv vor. Wir konzentrieren uns auf hochwertigere, eher defensive Titel, die sich im Falle eines rezessiveren Szenarios besser halten sollten.

Ein weiterer positiver Aspekt: Wir erwarten, dass die Ausfälle in den meisten Teilen des Marktes niedrig bleiben werden. Viele Unternehmen haben die Gelegenheit genutzt, ihre Refinanzierung für mehrere Jahre auf den Weg zu bringen. Insgesamt sind wir der Meinung, dass die Anleger für die Übernahme von Kreditrisiken im Hochzinssegment gut entschädigt werden. Es gibt jedoch einige Bereiche, bei denen wir vorsichtig bleiben. Dazu gehören etwa Hochzinsanleihen mit einem Rating von CCC. Bei diesen könnten die Ausfälle unserer Einschätzung nach beträchtlich zunehmen. Es gibt auch eine Reihe von Sektoren, die unserer Meinung nach unter Druck geraten könnten – besonders Einzelhändler und europäische Immobiliengesellschaften.

Schwellenländeranleihen sind ein weiterer Bereich, den wir im historischen Vergleich für attraktiv halten. Die Anlageklasse hat in diesem Jahr erhebliche Rückgänge verzeichnet, und die Renditen sind inzwischen sehr hoch. Trotz der anhaltenden Stärke des US-Dollars und des weltweiten wirtschaftlichen Gegenwinds sind wir der Meinung, dass einige Bereiche dieses Marktes derzeit sehr attraktiv bewertet sind. Die Wertentwicklung in Regionen wie Lateinamerika beispielsweise ist relativ gut von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine abgeschirmt. Viele der dortigen Länder profitieren weiterhin von den hohen Rohstoffpreisen.

Setzt der US-Dollar seine Rallye fort?

Der US-Dollar verzeichnete im Jahr 2022 eine herausragende Wertentwicklung. Er wertete gegenüber fast allen wichtigen Währungen stark auf. Dies ist auf seine Rolle als „sicherer Hafen“ und auf das attraktive Zinsgefälle gegenüber anderen Währungsräumen zurückzuführen, etwa der Eurozone und Japan. Falls die Fed eine weiche Landung schafft – also Zinserhöhungen ohne einen größeren wirtschaftlichen Abschwung –, könnte der US-Dollar unserer Meinung nach wieder schwächer notieren. Kommt es dagegen zu einer harten Landung und einem stärkeren Konjunkturabschwung, wird er wahrscheinlich weiter aufwerten. Am anderen Ende der Skala hat sich der japanische Yen in den letzten Jahren sehr schwach entwickelt. Ein Grund dafür war ebenfalls das Zinsgefälle: Die Bank of Japan hält die langfristigen Zinssätze bei Null.

Neues Umfeld für Festverzinsliche

Angesichts der weiterhin hohen Inflation können Anleger den Eindruck bekommen, als gäbe es immer weniger „Parkplätze“ für ihr Geld. Allerdings sind die Märkte im bisherigen Jahresverlauf bereits stark eingebrochen. Daher sind wir überzeugt, dass Rentenanleger jetzt viele langfristige Möglichkeiten haben.

Übermässige Zinsrisiken zu vermeiden hat sich während des Ausverkaufs im bisherigen Jahresverlauf als vorteilhaft erwiesen. Unserer Meinung nach ist jedoch jetzt die Zeit reif, um einige dieser Positionen umzukehren. Basiseffekte dürften dazu führen, dass die Inflation im Laufe von 2023 zurückgeht. Dies dürfte sich positiv auf die Anleihemärkte auswirken, zumal der von den USA angeführte Zinserhöhungszyklus unseres Erachtens nun fast vollständig eingepreist ist.

Die Inflation wird jedoch wahrscheinlich auch für den Rest des Jahres das beherrschende Thema an den Märkten bleiben. Wir werden eine Reihe von Messgrössen genau beobachten, um die Inflationsentwicklung für 2023 einzuschätzen. In den nächsten Monaten werden die Märkte zudem mit mehreren wichtigen politischen Ereignissen konfrontiert, etwa den Zwischenwahlen in den USA. Auch die Lage in der Ukraine und die Auswirkungen auf die europäische Gasversorgung werden weiterhin im Mittelpunkt stehen.

In einem unsicheren Umfeld zählt ein flexibler und diversifizierter Ansatz. Bei festverzinslichen Wertpapieren muss man also Duration, Kreditrisiko und Währungsengagement an sich rasch verändernde makroökonomische Situationen anpassen können. Eines möchten wir dabei besonders unterstreichen: Es ist wichtig, in eine breite Palette festverzinslicher Titel investieren zu können. Dazu gehören klassische Staats- und Unternehmensanleihen; wir investieren jedoch auch in Instrumente, die für ein inflationäres Umfeld besser gerüstet sein sollten – etwa inflationsgebundene Anleihen und variabel verzinste Anleihen bzw. Floater (Floating Rate Notes).

von Jim Leaviss

Der Wert der Vermögenswerte des Fonds und die daraus resultierenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben.

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