10 min zu lesen 9 Okt. 24
Für Anleiheinvestoren kann die Vorhersage, wann der Zeitpunkt für eine Wende im geldpolitischen Zyklus der Zentralbank erreicht ist, gleichzeitig profitabel und nutzlos sein. Da sich sowohl das Wirtschaftswachstum abschwächt als auch die Inflation sinkt, weist die Richtung der Zinssätze im Laufe des Jahres 2024 nach unten. Das verleiht der Anlageklasse Anleihen starken Rückenwind und bietet eine Gelegenheit für die Billionen von Dollar, die in Cash und Geldmarktfonds an der Seitenlinie warten, um wieder in den Markt zu kommen.
Angesichts der Vielzahl von Unsicherheiten, darunter die anhaltende Inflation, geopolitische Risiken und die Dynamik von Angebot und Nachfrage, spricht Harriet Habergham mit den Fixed-Income-Spezialisten von M&G Investments. Können Investment-Grade-Unternehmensanleihen trotz des Marktrauschens Renditen liefern?
Einschätzungen von Jim Leaviss, CIO Fixed Income in London, und Anthony Balestrieri, CIO Americas in Chicago.
Nach zwei Jahren negativer Renditen an den Anleihemärkten und dem aggressivsten Zinserhöhungszyklus der jüngeren Geschichte haben sich Anleger Ende 2023 in Erwartung von Zinssenkungen 2024 auf diese Anlageklasse gestürzt. Die Rallye im vierten Quartal war eine wichtige Fallstudie zum Thema FOMO (Fear of Missing Out - Angst, etwas zu verpassen), bei der Anleger, die sich die Kapitalgewinne nicht entgehen lassen wollten, in den Anleihemarkt strömten. Der Bloomberg Global Aggregate Bond Index stieg von Oktober bis zum Jahresende um 10 %.
Alle waren sich einig, dass die Zinssätze nach unten tendieren. Doch die Wirtschaftsdaten senden weiterhin unterschiedliche Botschaften, und die Märkte warten immer noch sehnsüchtig auf einen ersten Schritt der Zentralbanken. Derzeit befinden sich 6 Billionen USD in Geldmarktfonds1 (Stand Februar 2024), die darauf warten, eingesetzt zu werden. Dies wird geschehen, sobald das Tempo und die Höhe der Zinssenkungen feststehen. Das Halten von Bargeld wird dann weniger rentabel, was die Anleihemärkte strukturell unterstützen würde.
Historisch gesehen signalisieren Spitzenzinsen hohe Renditen für Anleihen. Wer 63 Tage vor der ersten Zinssenkung der Federal Reserve (Fed) ein 10-jähriges US-Schatzpapier kauft, kann bei einem Renditerückgang von 1 % typischerweise einen Kapitalgewinn von 7 % zuzüglich des Carry erzielen. Der Versuch, beim Market Timing richtig zu liegen, ist jedoch eine undankbare Aufgabe. Außerdem gibt es nach wie vor einige gravierende makroökonomische Risiken.
Erstens ist die Inflation noch nicht bezwungen. Eine Kombination aus kurzfristigen Schocks und längerfristigen strukturellen Faktoren könnte dazu führen, dass die Inflationsraten auf Dauer höher ausfallen als erwartet.
Der US-Verbraucherpreisindex (CPI) überraschte im Februar mit einem Anstieg von 3,2 % im Jahresvergleich und lag damit über den erwarteten 3,1 %2. In Verbindung mit einem robusten Arbeitsmarkt und starken Wirtschaftsdaten ist es fraglich, ob die Inflation auf das 2 %-Ziel zusteuern wird.
Aber auch wenn sich die Inflation allmählich auf die Zielmarke zubewegt, spüren die Verbraucher weiterhin den Druck auf ihre Geldbörsen. Die Preise für alltägliche Dinge wie Mieten und Lebensmittel sind nach wie vor deutlich höher als vor der Pandemie. In den letzten vier Jahren (2019-2023) sind die Lebensmittelpreise in den USA um 25 % gestiegen3,4. Dies ist nicht nur deutlich höher als die kumulierte Gesamtinflationsrate von 19 % in diesem Zeitraum. Diese alltäglichen Dinge stehen auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Vordergrund; 67 % der Wählerinnen und Wähler nennen Lebensmittel als den Bereich, in dem sie am meisten von der Inflation betroffen sind5.
US-Haushalte haben 2022 durchschnittlich 11,3 % ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgegeben6. Da haben Preiserhöhungen bei alltäglichen Produkten wie Milch und Eiern erhebliche Auswirkungen auf die Budgets der Verbraucher. Die Lebensmittelinflation hat ihre Ursache jedoch nicht unbedingt in der Geldpolitik, da eine Kombination mehrerer Faktoren wie dem Arbeitskräftemangel, der Unterbrechungen von Lieferketten und dem Klima zu einem starren Preisniveau beiträgt. Auch die Mieten, die in den USA 35 % des CPI-Index ausmachen, haben ihren Anteil an der hartnäckigeren Inflation: Ihr Niveau ist um 29,4 % höher als vor der Pandemie7.
Hinzu kommen längerfristige strukturelle Faktoren, die dazu führen könnten, dass sich die Inflation und folglich auch die Zinsen auf einem anhaltend höheren Wert einpendeln.
Dazu gehört etwa der Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft, der beträchtliche Kapitalausgaben und Investitionen erfordert, wobei staatliche Maßnahmen wie der Inflation Reduction Act in den USA und der europäische Green Deal steuerliche Förderung bieten.
Weitere langfristige Faktoren mit potenziell inflationären Auswirkungen sind zum Beispiel geopolitische Spannungen, die zu protektionistischen Maßnahmen und höheren Militärausgaben führen könnten, sowie demografische Trends. So verringert eine alternde Bevölkerung die Steuereinnahmenbasis, stärkt die Arbeitnehmer bei Lohnverhandlungen und erhöht den Bedarf an Sozialausgaben.
Eine sanfte Landung – ein Szenario, bei dem die Inflation ohne einen Rückgang der Wirtschaftsleistung sinkt – war zwar in letzter Zeit das vorherrschende Narrativ, aber die Geschichte zeigt, dass dies sehr schwer zu erreichen ist. Ein anhaltendes Wachstum, eine auf das Zielniveau sinkende Inflation und ein gleichzeitig einigermaßen stabiler Arbeitsmarkt sind selten; einer dieser Faktoren gerät fast zwangsläufig ins Wanken.
Die Inflation ist in den USA von ihrem Höchststand von 9,1 % im Juni 2022 rasch auf 3,1 % im Januar 2024 gesunken. Die Inflation ist seriell korreliert – der beste Hinweis auf den Wert des nächsten Monats ist der des Vormonats. In den letzten sechs bis neun Monaten hat die Inflation alle Beobachter durch die Geschwindigkeit und Stärke des Abwärtstrends überrascht. Dabei besteht das Risiko, dass die Geldpolitik durch eine Kombination aus höheren Zinsen und quantitativer Straffung über das Ziel hinausschießt und sich die Angebotsschocks auflösen.
Anleger achten in der Regel auf die Zinsstrukturkurve, um eine Rezession zu erkennen. Eine inverse Yield Curve bedeutet, dass sie davon ausgehen, dass die langfristigen Zinssätze sinken werden – normalerweise als Folge einer Rezession.
Die Renditen der US-Staatsanleihen sind seit 2022 invertiert, was eine Rezession ankündigt, die in den USA noch nicht eingetreten ist. Seitdem hat sich die Zinskurve jedoch abgeflacht, da die Anleger die ersten Zinssenkungen der Zentralbank einpreisen. Dies deutet darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession gesunken ist.
Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass die Kurve vor einer Rezession wieder steiler wird, weil der Markt dies in Erwartung einer Abschwächung einpreist.
Ähnlich verhält es sich mit den Markt-Narrativen als Indikator für eine Rezession: In der Vergangenheit gab es kurz vor einer Rezession häufig Diskussionen über eine "sanfte Landung".
Zeitliche Verzögerungen in der Geldpolitik können sich auf verschiedene Art und Weise und aus unterschiedlichen Gründen auf die Realwirtschaft auswirken.
Normalerweise dauert es zwischen vier und 29 Monaten, bis die Geldpolitik Wirkung zeigt8. Betrachtet man beispielsweise den Arbeitsmarkt, so zeigen sich die Arbeitsmarktdaten zwar oberflächlich betrachtet stark, doch gibt es einige Anzeichen für eine Abkühlung; die Daten vom Februar haben gezeigt, dass die Arbeitslosenquote in den USA auf ein Zweijahreshoch von 3,9 % gestiegen war9.
Darüber hinaus zeigen andere Indikatoren, wie zum Beispiel die Zahlungsrückstände bei Kreditkarten, die das Niveau vor der Pandemie überschritten haben10, erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung. Im Januar sanken die Einzelhandelsumsätze in den USA um 0,8 %, obwohl ein Rückgang nur um 0,1 % erwartet wurde11, und auch die Industrieproduktion ging zurück12.
Es ist also möglich, dass wir einen Konjunkturrückgang erleben und die Notenbanken gezwungen sein werden, die Zinssätze rasch zu senken. Dies würde den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere starken Rückenwind verleihen, da Anleger versuchen werden, sich höhere Renditen zu sichern.
Zu noch mehr Ungewissheit trägt bei, dass fast die Hälfte der Weltbevölkerung 2024 zur Wahl aufgerufen ist, darunter auch große Volkswirtschaften wie die USA. Die Ergebnisse könnten langfristig tiefgreifende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.
Zwar sind die Märkte in der Regel relativ immun gegen Wahlen und unterliegen nur kurzfristigen Schwankungen. In den letzten Jahren gab es jedoch Beispiele dafür, dass die Handlungen von Politikern oder Zentralbanken die Anleihemärkte durchaus erschüttern können.
Der sogenannte Mini-Haushalt von Liz Truss im September 2022, der die britische Gilt-Krise auslöste, ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie politische Entscheidungen die Märkte verunsichern können. Diese Episode kann als deutliche Warnung an Regierungen gelten, die mit großen Ausgaben- oder Steuersenkungsversprechen gewählt werden wollen, könnte aber auch eine Chance für Anleger festverzinslicher Wertpapiere sein.
Es kommt ziemlich selten vor, dass sich die Märkte für Anleihen mit Investment-Grade-Rating (IG) in Euro, Sterling und Dollar in dramatisch unterschiedliche Richtungen bewegen, aber wenn es passiert, können aktive Manager die Chancen von Bewertungsrelationen nutzen.
Obwohl 2024 in mindestens 64 Ländern Wahlen stattfinden, werden sich alle Augen auf die US-Präsidentschaftswahlen im November richten. Trotz einer starken Wirtschaft, niedriger Arbeitslosigkeit und sinkender Inflation sind viele Wählerinnen und Wähler immer noch unzufrieden. Erschwingliche Produkte, Kriminalität und Migration sind die größten Sorgen der Wähler13. Deshalb sollten die Märkte die potenziellen Auswirkungen eines Trump-Sieges berücksichtigen.
So kam es beispielsweise 2016 nach der Wahl Trumps zu einem Ausverkauf an den Anleihemärkten in Höhe von einer Billion Dollar. Dieser beruhte auf Befürchtungen in Bezug auf Trumps Ausgabenversprechen, Steuersenkungen und seine Pläne für Handelszölle.
Während seiner letzten Amtszeit senkte Trump den Körperschaftssteuersatz von 35 % auf 21 % und deutete an, dass er diesen nach seiner Wiederwahl weiter auf 15 % herabsenken würde. Steuersenkungen können sich zunächst als positiv für Risikoinvestments erweisen. Aber sie würden die Schuldenlast der USA erhöhen und wahrscheinlich zu einer enormen Emission von Staatsanleihen führen, was die Schuldentragfähigkeit der USA in Frage stellen würde.
Zu den weiteren im Raum stehenden Maßnahmen gehören ein allgemeiner Handelszoll von 10 % auf US-Importe oder der "Trump Reciprocal Trade Act", der Zölle von 100 % ermöglichen würde. Beides könnte für einen Anstieg der Inflation sorgen.
Unabhängig davon, ob es zu einer zweiten Amtszeit Trumps kommt, dürfte das Emissionsvolumen von US-Staatsanleihen in diesem Jahr enorm sein. Ein Drittel der amerikanischen Staatsschulden muss refinanziert werden. Selbst in dieser Phase relativer wirtschaftlicher Stärke wird die expansive Fiskalpolitik fortgesetzt, wobei Maßnahmen wie der Inflation Reduction Act und das CHIPS-Gesetz das Defizit noch weiter erhöhen, ebenso wie der Überhang der Pandemiemaßnahmen.
Ein ausuferndes Defizit bei anhaltend guter Konjunktur lässt den USA im Falle eines Konjunkturabschwungs wenig finanzpolitischen Spielraum. Darüber hinaus könnte eine Emissionswelle den Appetit der Anleiheinvestoren auf die Probe stellen und sich möglicherweise nachteilig auf die Kreditwürdigkeit des Staates auswirken. So hatte Fitch die USA im August 2023 von Triple-A auf AA+ herabgestuft.
Nach den Prinzipien wirtschaftlichen Handelns sinkt der Preis, wenn die Menge steigt. Im Falle von Staatsanleihen ist jedoch eher das Gegenteil der Fall. Es besteht ein umgekehrtes Verhältnis zwischen der Verschuldung im Verhältnis zum BIP und den Anleiherenditen. Denn die Regierungen nehmen in der Regel mehr Kredite auf, wenn die Wirtschaft schwach und die Inflation niedrig ist und die Zinssätze generell sinken, so dass die Anleiherenditen fallen.
In Anbetracht der hohen Kreditaufnahme schon in Zeiten starker Konjunktur ist es besorgniserregend, dass sich die Regierungen bei schwachem Wachstum noch mehr Geld leihen und die Zentralbanken gleichzeitig keine großen Volumina an Staatsanleihen mehr im Rahmen der quantitativen Lockerungsprogramme aufkaufen.
Diese Sorgen könnten allerdings auch übertrieben sein, da nur ein kleiner Teil der Gesamtverschuldung während des Niedrigzinszeitraums nach der Finanzkrise ausgegeben wurde. Der Großteil der Schulden wurde zu ähnlichen – wenn nicht gar höheren – Zinssätzen als heute ausgegeben. Das bedeutet, dass der Refinanzierungsstress möglicherweise nicht so drastisch ist, wie man erwarten könnte.
Einschätzungen von Richard Woolnough, Fondsmanager, und Gaurav Chatley, Fixed Income Director.
Die Anleihemärkte sind in den letzten Jahrzehnten insgesamt erheblich gewachsen und haben inzwischen ein Volumen von rund 130 Billionen US-Dollar erreicht14. So ist ein immer größeres und vielfältigeres Universum entstanden, von dem aktive Manager profitieren können.
Vor allem der Markt für Unternehmensanleihen hat sich dramatisch entwickelt, ist stark gewachsen und bietet Anlegerinnen und Anlegern heute eine große Vielfalt an Instrumenten, die es vor 20 Jahren noch nicht gab.
Umfang und Ausmaß der Veränderungen in den letzten 20 Jahren sind bemerkenswert. Das Investment-Grade-Universum (IG) ist jetzt viel stärker auf ein BBB-Rating ausgerichtet. Unternehmen haben die niedrigeren Kreditkosten nach der globalen Finanzkrise genutzt, um sich zu verschulden, und dabei hatten sie wenig Anreiz, bei einem AA- oder A-Rating zu bleiben.
Wir glauben aber, dass sich Unternehmen angesichts steigender Kreditkosten für eine Verbesserung ihrer Bilanzen entscheiden werden. Zwischen 2020 und 2023 gab es netto 40 Mrd. USD an "Rising Stars" (Unternehmen, die von High Yield (HY) auf IG hochgestuft wurden), darunter bekannte Namen wie die Ford Motor Company. Grund dafür war, dass Unternehmen, deren Bilanzen während der Covid-Pandemie in Frage gestellt waren, hochgestuft wurden. 2023 wurden 14 Emittenten, die insgesamt 45,88 % des Marktwerts ausmachen, aus dem Index der Fallen Angels entfernt (ein Index früherer IG-Anleihen, die dann aber auf HY herabgestuft wurden), da sie erneut IG-Status erreichten.
Wenn man das HY-Universum mit dem IG-Universum vergleicht, ist die Qualität so gut wie nie zuvor. Die Daten zeigen, dass wir noch nie so viele BB-geratete Anleihen im Verhältnis zu B- und CCC-Bewertungen hatten wie heute.
Ein Ergebnis der wesentlich größeren Anzahl von Möglichkeiten ist eine größere Streuung, bei der Anleihen mit demselben Kreditrating zu unterschiedlichen Credit Spreads gegenüber Staatsanleihen gehandelt werden. Ein hohes Maß an Streuung ist häufig in Zeiten der Marktvolatilität wie zurzeit zu beobachten. Das kann eine ergiebige Quelle zur Identifizierung fehlbewerteter Wertpapiere durch eine intensive Kreditanalyse darstellen.
Innerhalb der Anleihen mit BBB-Rating gibt es eine breite Streuung. Das bedeutet, dass es erhebliche Chancen zu entdecken gibt. Wir sind der Meinung, dass wir höhere Spreads bei gleichem Kreditrisiko erzielen können. Wer beispielsweise ein Wertpapier mit einer Laufzeit von zehn Jahren kauft, kann eine Kapitalrendite von 5 % erzielen, wenn die Spreads um 50 Basispunkte steigen und die Renditen um ein halbes Prozent sinken. Solche Entscheidungen können für Fixed-Income-Anleger zu attraktiven Ergebnissen führen. Wir glauben oft, dass Aktien einen Kapitalzuwachs bieten, während festverzinsliche Wertpapiere die Rendite nur auf dem Papier liefern, aber für aktive Anleger muss dies nicht der Fall sein.
Im Falle eines Abschwungs sind IG-Unternehmensanleihen unserer Meinung nach gut aufgestellt, um den Sturm zu überstehen. Starke Fundamentaldaten reduzieren das Ausfallrisiko.
Bei Unternehmensanleihen mit BBB-Rating gehen die Märkte von einer Ausfallrate von 12 % innerhalb der nächsten fünf Jahre aus. Das ist sechsmal mehr als normalerweise in einem Fünfjahreszyklus und doppelt so viel wie während der Finanzkrise.
Wir gehen davon aus, dass die Ausfallquoten zwar steigen werden, allerdings von einem historisch sehr niedrigen Niveau aus. In den kommenden Jahren könnten die Ausfallraten allmählich wieder auf das Niveau vor der Finanzkrise steigen, das im langfristigen Durchschnitt bei 3-4 % liegt.
Wir meinen, dass wir aktuell für das Kreditrisiko von Anleihen mit BBB-Rating überbezahlt werden. Obwohl die Spreads historisch betrachtet derzeit recht eng sind, sehen sie im Vergleich zu dem, was man für die Ausfallwahrscheinlichkeit bezahlt, immer noch attraktiv aus.
Grund dafür ist, dass die Bilanzen von IG-Firmen unseres Erachtens nach wie vor solide sind. Viele Unternehmen haben die niedrigen Finanzierungskosten während der Pandemie genutzt, um sich zu refinanzieren. Sie profitieren so von einer langen Laufzeit, und das kurzfristige Risiko, sich zu höheren Zinssätzen refinanzieren zu müssen, ist geringer geworden.
Die Inflation kann auch positive Auswirkungen auf Unternehmen haben, die sich zu festen Zinssätzen verschulden. Vereinfacht ausgedrückt könnte eine Inflation von beispielsweise 5 % über einen Zeitraum von fünf Jahren ihre Schulden real um ein Viertel reduzieren.
Wenn man jedoch die Ratingskala abwärts geht, gibt es in erheblichem Umfang fremdfinanzierte Unternehmen, die anfälliger für Zahlungsausfälle sind. Der Risikoausgleich fällt weg. Hier ist ein konsequentes Kreditanalyseteam notwendig, um sowohl Chancen zu nutzen als auch Fallstricke zu vermeiden. Wir entscheiden uns für solche IG-Unternehmensanleihen, von denen wir glauben, dass diese spezifischen Namen und Sektoren einen Sturm im schlimmsten Fall überstehen können.
Wie immer gibt es für diejenigen, die jenseits des Marktrauschens nach Wert suchen, tiefergehende Themen und Sektoren, von denen wir profitieren können. Ein Credit-Research-Team, das eine fundamentale Bottom-up-Analyse durchführt, ist für die Identifizierung dieser Werte entscheidend. In einzelnen Sektoren sehen wir große Chancen, darunter europäische Finanztitel, bestimmte Immobiliensegmente und Schwellenländeranleihen.
Unserer Ansicht nach befinden sich die europäischen Banken, verglichen mit ihrer früheren Lage, heute in einer guten Position. Interessante Werte gibt es nach unserer Einschätzung vor allem bei Banken der zweiten Reihe an den europäischen Finanzplätzen. Chancen sehen wir vor allem bei jenen Banken, die während der Finanzkrise mit Bilanzproblemen und zudem mit Forderungsausfällen, Umstrukturierungen sowie operativen Einschränkungen zu kämpfen hatten. Diese Banken haben in den letzten Jahren von einem starken Rückenwind profitiert, da die Zinssätze und somit ihre Nettozinserträge (NII) gestiegen sind. So konnten sie wieder Gewinne erzielen.
Darüber hinaus ist die Kapitalausstattung viel höher als früher. In den Jahren seit der Finanzkrise haben Banken bewiesen, dass sie besser in der Lage sind, makroökonomischen Schocks zu widerstehen. Banken werden nach wie vor als risikoreiche Unternehmen mit hohem Beta angesehen. Wir meinen aber, dass sie seit der Finanzkrise durch die Regulierung sicherer geworden sind, besser kapitalisiert und durch ein angemessenes Risikomanagement unterstützt werden. Im Ergebnis sind die Fundamentaldaten stark.
Auch im Immobiliensektor, der in den letzten Jahren etwas gelitten hat, sehen wir Chancen.
Bei der Bewertung von Immobilien ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis von Real Estate Investment Trusts (REITs) auf etwa 60 % gefallen. Der Aktienmarkt zeigte, dass er den Immobilienbewertungen nicht traute, und so begannen sich die Spreads auszuweiten. Als die Renditen und Spreads stiegen, befanden sich diese stark fremdfinanzierten Unternehmen plötzlich in einer Lage, in der sie sich nicht mehr refinanzieren konnten. So weiteten sich die Spreads weiter aus.
Dabei handelt es sich jedoch um spezifische IG REITs, die auf diesem Markt die beste Qualität aufweisen. Dieser Trend wurde durch die Zinssätze noch beschleunigt. Sobald die Menschen glauben, dass die Zinssätze sinken, werden die Bewertungen wieder ansteigen und die Refinanzierung wird ebenfalls einfacher werden. Es gibt Unternehmen in diesem Sektor, die ein Credit Research Team als fehlbewertet erkennen kann und deshalb als sehr günstig einschätzt.
Schwellenländeranleihen erlebten 2023 eine starke Rallye. Noch immer handelt es sich um eine der am stärksten diversifizierten Anlageklassen innerhalb der festverzinslichen Wertpapiere, da sie eine Streuung nach Regionen, Ländern, Sektoren, Währungen und Rohstoffen bieten. Auch aus der Perspektive des wirtschaftlichen und geldpolitischen Zyklus gibt es viele Unterschiede.
Einschätzungen von Richard Ryan, Director of Fixed Interest Portfolio Management, und Ben Lord, Portfoliomanager
Das derzeitige Umfeld – Volatilität, Unsicherheit und die Frage, wo die Zinssätze liegen sollten – bringt Herausforderungen mit sich. Wir denken aber, dass es wichtig ist, über den Tellerrand hinauszuschauen, um Chancen im Bereich Fixed Income zu entdecken. Außerdem wollen wir flexibel bleiben, um zum richtigen Zeitpunkt investieren zu können. Gerade in dieser Phase des Konjunkturzyklus ist es besonders wichtig, qualifizierte Anlageentscheidungen zu treffen.
Investment-Grade-Unternehmensanleihen bieten aufgrund ihrer separaten Zins- und Credit-Spread-Komponenten natürliche Diversifikationsvorteile.
Credit Spreads und Zinssätze bewegen sich in der Regel in entgegengesetzte Richtungen und bieten so eine Absicherung gegen Marktschwankungen. Während einer Rezession beispielsweise ist mit einer Ausweitung der Credit Spreads zu rechnen, da sich die Fundamentaldaten der Unternehmen verschlechtern. Normalerweise gehen wir davon aus, dass dies durch einen Rückgang der Staatsanleiherenditen ausgeglichen wird, da die Märkte eine Zinssenkung zur Ankurbelung des Wachstums erwarten. Wir glauben, dass diese separaten Zins- und Spread-Komponenten eine stärker diversifizierte Renditequelle über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg bieten können.
Die Anlageklasse hat in den letzten zehn Jahren turbulente Entwicklungen erlebt, darunter die globale Finanzkrise. In dieser Phase spielte die Duration den Anlegern in die Hände, die Credit Spreads weiteten sich jedoch massiv aus und das Eingehen von Kreditrisiken wurde als gefährlich angesehen.
Ein ähnliches Umfeld war 2020 zu beobachten, als die Covid-19-Krise für große Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Unternehmen sorgte. Die Spreads weiteten sich aus, die Renditen sanken und die Korrelation zwischen beiden kehrte sich um. Auch 2022 kam es zu einer Ausweitung der Spreads und einem Anstieg der Renditen, was zu einem schwierigen Umfeld für festverzinsliche Wertpapiere führte. Seit 2023 haben wir einen viel freundlicheren Rückenwind und die große Chance, bei Unternehmensanleihen zwischen diesen beiden Einkommensströmen zu differenzieren.
Wenn die Bewertungen steigen, gibt es zudem einen eingebauten Schutz, so dass die Renditen steigen können, ohne dass ein Anleiheinvestor Geld verliert. Da es sich um Anlageklasse handelt, die regelmäßige Einkünfte generiert, können die Kurse um den gleichen Betrag fallen wie die Erträge erbringen und sich somit ausgleichen. Dies wird als Break-Even bei Unternehmensanleihen bezeichnet.
Da sowohl die Zins- als auch die Spread-Kurven derzeit flach verlaufen, erscheinen die risikobereinigten Renditen am kürzeren Ende derzeit weiterhin günstiger.
Die Märkte sind nicht statisch; Bewertungen ändern sich und werden ständig angepasst. Die Zukunft können wir zwar nicht vorhersagen, dafür aber aktuelle Bewertungen und die Höhe der Risikokompensation objektiv beurteilen. Das kann ein wichtiger Anhaltspunkt dafür sein, welche Marktsegmente attraktiv sind.
Die Märkte sind nicht stabil, die Liquidität ist kurzlebig. Der jüngste Ansturm auf den Markt hat die Spreads eingeengt. Die Bonität von Unternehmen mit B- und BB-Rating liegt nun auf einem Niveau, das wir seit der Finanzkrise nur wenige Male gesehen haben.
Die Credit Spreads können sich aggressiv und oft ohne Vorwarnung bewegen, was durchaus besorgniserregend sein kann. Wir meinen aber, dass sich ein aktives Management gerade dann auszahlt: An billigen Märkten gibt es keinen Ausverkauf, an teuren dagegen schon – es braucht nur einen Auslöser, den der Markt häufig nicht erkennt. Wenn man also die Flexibilität und den Weitblick hat, sich von einem solchen Risiko zurückzuziehen, kann man das Risiko ebenso wieder eingehen, wenn die Kompensation dafür entsprechend ausreicht.
Das Wichtigste ist, sich so zu schützen, dass man wieder auf die Beine kommt und mitspielen kann. Wer sich als letzter auf dem Spielfeld behauptet, kann die Schnäppchen für sich verbuchen. In diesem Szenario ist ein fundamentales Credit Research Team unerlässlich, um die attraktivsten Gelegenheiten bei globalen Unternehmensanleihen zu finden.
Auch im laufenden Jahr bleiben wir bei unserem positiven Ausblick für Anleihen, wobei das Ende des Zinserhöhungszyklus der Anlageklasse starken Rückenwind verleiht. Die Risiken sind allerdings weiterhin erheblich, darunter eine möglicherweise länger als erwartet anhaltende Inflation, eine Rezession, durch Wahlergebnisse ausgelöste Schockwellen ebenso wie die Dynamik von Angebot und Nachfrage.
In diesem Umfeld glauben wir, dass Flexibilität und aktives Management ein Unterscheidungsmerkmal sein werden, um attraktive Chancen ausnutzen zu können. Darüber hinaus werden Flexibilität und eine fundamentale Analyse immer wichtiger, um die Fallstricke zu vermeiden, die ein solch volatiler Markt mit sich bringen kann. Zudem lässt sich so die Fähigkeit bewahren, das Kapital dann einzusetzen, wenn das Risiko-Rendite-Verhältnis wieder einmal verbessert.
Der Markt für Anleihen mit Investment-Grade-Rating (IG) hat sich in den letzten zehn Jahren vergrößert und bietet aktiven Managern ein breiteres und tieferes Spektrum an Anlagemöglichkeiten. Qualitativ hochwertige IG-Unternehmen sind stark genug, um einen möglichen Wirtschaftsabschwung zu überstehen. Die Konzentration von Anleihen mit BBB-Rating bedeutet, dass aktive Manager von Marktfehlbewertungen aufgrund der ausgeprägten Streuung profitieren können. Und: Unternehmensanleihen insgesamt bieten unserer Meinung nach eine natürliche Absicherung gegen mögliche Rückschläge.
1Investment Company Institute (ICI), ‘Release: Money market fund assets’,(ici.org), Februar 2024.
2Bureau of Labor Statistics, ‘Consumer Price Index Summary’, (bls.gov), Februar 2024.
3US Department of Agriculture, ‘Food Prices and Spending’, (ers.usda.gov), Februar 2024.
4The Washington Post, ‘Inflation has fallen. Why are groceries still so expensive?’, (washingtonpost.com), Februar 2024.
5Ipsos, ‘Registered voters are feeling pessimistic about the state of the US economy’, (Ipsos.com), November 2023.
6US-Landwirtschaftsministerium, ‘Food Prices and Spending’, (ers.usda.gov), Februar 2024.
7Zillow, ‘Pandemic to Present: The Evolution of Rental Prices and Affordability’, (Zillow.com), Februar 2024.
8Federal Reserve Bank of St Louis, ‘What are long and variable lags in monetary policy?’, (stlouisfed.org), Oktober 2023.
9Reuters, ‘US labor market cooling’ (reuters.com), März 2024.
10Philadelphia Federal Reserve Bank, ‘Large Bank Credit Card and Mortgage Data’, (philadelphiafed.org), Januar 2024.
11Trading Economics, ‘U.S. Retail Sales’, (tradingeconomics.com), Februar 2024.
12Federal Reserve, ‘Industrial Production’, (federalreserve.gov), Februar 2024.
13Gallup, ‘Most Important Problem’,(news.gallup.com), Januar 2024.
14Sifma, ‘Capital Markets Fact Book, 2023’, (sifma.org), Juli 2023, neueste verfügbare Daten.
Der Wert der Vermögenswerte des Fonds und die daraus resultierenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben.