Makroökonomie und Politik
3 min zu lesen 18 Apr. 24
Investoren stellen sich derzeit auf der Anleiheseite die Frage, welche Laufzeiten im aktuellen Marktumfeld angebracht sind. Tatsächlich ist diese Frage etwas schwieriger zu beantworten als sonst. Grund hierfür ist die derzeit vorherrschende inverse Zinsstrukturkurve.
In „normalen“ Zeiten herrscht eine steigende Zinsstrukturkurve. D. h. Anleger erhalten bei langlaufenden Anleihen üblicherweise eine höhere Rendite als bei Kurzläufern oder gar variabel verzinsten Anleihen. Dafür sind langlaufende Anleihen aufgrund der höheren Zinssensitivität (Duration) jedoch volatiler. Steigen die Renditeniveaus am langen Ende der Zinsstrukturkurve, so erleiden Anleger mit langlaufenden Anleihen Kursverluste – eine Erfahrung, die viele Anleger im Jahr 2022 auf schmerzhafte Art und Weise machen mussten.
Aus Gesamtportfolioperspektive (inkl. Aktienanteil) nimmt man diese höhere Volatilität andererseits bewusst in Kauf, da die Renditeniveaus bei negativen Wirtschaftsszenarien i.d.R. sinken und die damit einhergehenden Kursgewinne der langlaufenden Anleihen den Kursverlusten bei Aktien, die in diesem Falle üblicherweise anfallen, entgegenwirken können.
Wie groß dieses Diversifikationspotential ist, hängt u. a. von der Höhe der Renditeniveaus ab. Je höher die Renditen, desto mehr Raum besteht für sinkende Renditen und entsprechend steigende Anleihekurse. Derzeit liegen die langlaufenden Renditen auf vergleichsweise attraktiven Niveaus, insbesondere wenn man sie mit den Niveaus vor 2-3 Jahren vergleicht. Zehnjährige US-Treasuries rentieren derzeit mit 4,5 %, deutsche Bundesanleihen mit 2,4 % (Stand 12.04.2024). Das Potential für sinkende Renditen ist somit durchaus gegeben. Sollten die Renditen der zehnjährigen Treasuries über die nächsten Monate – z.B. aufgrund einer konjunkturellen Abkühlung oder gar einer Rezession – beispielsweise auf 3,0 % oder noch tiefer sinken, so könnten Anleger mit diesen Anleihen zweistellige Kursgewinne erzielen. Allein aus Gründen der Absicherung kann eine Investition in langlaufende Anleihen aus Gesamtportfolioperspektive daher sinnvoll sein.
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
Allerdings leben wir aus Sicht der Zinsmärkte jedoch nicht in „normalen“ Zeiten. Die Zinsen sind am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve höher als am langen Ende. D. h. Anleger können derzeit mit kurzlaufenden Anleihen höhere Kupons einsammeln, und das bei gleichzeitig deutlich geringerem Zinsänderungsrisiko als bei langlaufenden Anleihen. Dies ist natürlich insbesondere in einem Szenario wertvoll, in dem die Renditeniveaus weiter steigen, z. B. aufgrund einer erneuten Beschleunigung der Inflation, was momentan zwar eher unwahrscheinlich erscheint aber dennoch nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.
Auch auf Seite der Unternehmensanleihen können Kurzläufer sinnvoll sein. Zwar ist der Renditeunterschied zwischen kurz- und länger laufenden Papieren bei Unternehmensanleihen geringer als bei Bundesanleihen (siehe Grafik unten), allerdings haben kurzlaufende Unternehmensanleihen auch ein geringeres Risiko, und zwar nicht nur bezogen auf das Zinsänderungsrisiko (Duration) sondern auch bezogen auf die Sensitivität hinsichtlich der Credit-Spreads (Spread-Duration). Unserer Ansicht nach bedeutet dies, dass Anleger derzeit mit kurzlaufenden Unternehmensanleihen bei moderatem Risiko attraktive Renditen erzielen können.
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
Wer sich nicht zwischen kurzen und langen Laufzeiten entscheiden kann, könnte u. U. auch eine Barbell-Strategie in Erwägung ziehen, d. h. einerseits eine Absicherung vor negativen Konjunkturszenarien aus Gesamtportfolioperspektive mittels langlaufenden Staatsanleihen und andererseits die Vereinnahmung potenziell attraktiver Ablaufrenditen bei kurzlaufenden Unternehmensanleihen oder gar variabel verzinsten Hochzinsanleihen – sog. High Yield Floating Rate Notes (HY FRNs).
Der Wert der Vermögenswerte eines Fonds kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben.
Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.