Makroökonomie und Politik
3 min zu lesen 16 Mai 24
Die globalen Aktienmärkte waren im April eindeutig in einer Korrekturphase, mit einer großen Ausnahme: China. Nach einem eher enttäuschenden ersten Quartal konnte der chinesische Aktienmarkt in relativ kurzer Zeit zweistellig zulegen und damit im laufenden Jahr nicht nur zum MSCI All Country World Index aufschließen, sondern diesen sogar überholen. So liegt die Wertentwicklung des Hang Seng China Enterprises Index, der die in Hongkong gelisteten chinesischen Unternehmen beinhaltet (die sogenannten „China H-Shares“), im laufenden Jahr bei +16,8 % (in Euro, Stand 6. Mai 2024). Zum Vergleich, die Wertentwicklung der beiden so hoch gelobten US-Indizes NASDAQ Composite und S&P 500 liegt über denselben Zeitraum jeweils bei „lediglich“ +11,8 % (ebenfalls in Euro).
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
Trotz dieser fulminanten Aufholjagt dürften Investoren, die schon länger in China investiert sind, wohl kaum vor Freude in die Luft springen. Denn über längere Zeiträume liegt der chinesische Aktienmarkt noch immer weit abgeschlagen hinter dem globalen Aktienmarkt zurück. Während der MSCI All Country World Index in den letzten drei Jahren um 31 % zulegen konnte, steht beim Hang Seng China Enterprises Index ein Verlust von 25 % zu Buche (jeweils in Euro, Quelle: Morningstar Direct, Stand 6. Mai 2024). Der Rückstand – oder positiv ausgedrückt, das Aufholpotential – ist also weiterhin enorm. Doch was ist der Grund für die schwache längerfristige Wertentwicklung?
Der langfristige makroökonomische Ausblick hat sich für China in den letzten Jahren zweifelsohne eingetrübt. Die Bevölkerung in China ist mittlerweile am schrumpfen, die Verschuldung nimmt in einem rasanten Tempo immer weiter zu und der künstlich aufgeblähte Immobiliensektor befindet sich mitten in einem Abschwung, der wahrscheinlich für eine längere Zeit ein Bremsklotz für das chinesische Wirtschaftswachstum darstellen dürfte. Hinzu kommt eine verunsicherte Bevölkerung, die trotz der vorhandenen Ersparnisse bislang noch nicht gewillt ist, in dem Maße zu konsumieren, wie es nötig wäre, um der Wirtschaft einen spürbaren Wachstumsimpuls zu verleihen. Über all dem schwebt das Risiko geopolitischer Spannungen – insbesondere zwischen China und den USA – die über einen Handelskrieg oder im schlimmsten Fall sogar militärisch ausgefochten werden könnten.
Doch diese negativen Faktoren sind nur ein Teil der Wahrheit. Zur gesamten Wahrheit gehört nämlich auch, dass die Unternehmen in China ihre Aktionäre über viele Jahre hinweg enttäuscht und damit viel Vertrauen verloren haben. So hat sich das starke Wirtschaftswachstum des letzten Jahrzehnts, das für viele Investoren wohl der Hauptgrund für eine Investition in China gewesen sein dürfte, nicht in entsprechend steigenden Gewinnen der Unternehmen widergespiegelt. Dieses Vertrauen wiederzugewinnen, wird in den nächsten Jahren eine der großen Aufgaben chinesischer Unternehmen sein.
Doch es gibt auch Lichtblicke. Schaut man sich beispielsweise Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes an, so scheinen diese die negative Stimmung hinsichtlich der chinesischen Konjunktur nicht zu bestätigen. Zwar signalisieren die Einkaufsmanagerindizes keinen massiven Wirtschaftsboom, aber sie befinden sich zumindest im expansiven Bereich, was auf eine positive Entwicklung hindeutet. Damit sieht es für China aus diesem Blickwinkel besser aus als beispielsweise in Europa.
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
In der Vergangenheit ließ die Fähigkeit der Unternehmen, das hohe chinesische Wirtschaftswachstum in steigende Gewinne umzumünzen, eindeutig zu wünschen übrig. Doch es findet offenbar ein Umdenken statt. So sind beispielsweise ein rapider Anstieg der Ausschüttungsquoten sowie steigende Aktienrückkäufe zu beobachten – beides Maßnahmen, die als Indiz für eine steigende Aktionärsfreundlichkeit angesehen werden können. Zudem fokussieren sich immer mehr Unternehmen auf die Steigerung der Profitabilität. Es könnte sich hierbei um anhaltende Verbesserungen in der chinesischen Aktienlandschaft handeln, die trotz des zu erwartenden niedrigeren Wirtschaftswachstums zu soliden Erträgen für Investoren führen könnten.
Auch wenn die Risiken nicht von der Hand zu weisen sind, lohnt es sich zu hinterfragen, wie viel von diesen negativen Aspekten in den aktuellen Kursen bereits eingepreist sind. Schaut man sich die Bewertungen chinesischer Aktien an, so fällt die Antwort wohl eindeutig auf „ziemlich viel“. Denn die Bewertungen befinden sich nahe ihrer historischen Tiefstände und rund 40 % unterhalb des Durchschnitts der vergangenen 20 Jahre. Das positive Überraschungspotential ist somit enorm. Sollten negative Nachrichten aus China in den nächsten Monaten ausbleiben, könnte trotz der starken Entwicklung der letzten Wochen noch genügend Luft für weitere Kursgewinne vorhanden sein. Es könnte sich also lohnen, einen Blick auf den chinesischen Aktienmarkt zu werfen.
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
Der Wert der Vermögenswerte eines Fonds kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.