Lohnen sich Unternehmensanleihen noch?

3 min zu lesen 17 Juni 24

Bewertungen sind immer relativ. Das gilt sowohl für die Aktienmärkte als auch für die Anleihemärkte. Die Vergleichsgröße ist dabei i. d. R. die „risikolose“ Anlage. In der Praxis kommen sicherheitsorientierte Staatsanleihen, wie z. B. US-Treasuries oder deutsche Bundesanleihen, diesem Begriff am nächsten.

Als Bewertungskennzahl für Unternehmensanleihen wird dabei i. d. R. der Risikoaufschlag, auch Credit-Spread genannt, herangezogen. Dieser Spread kompensiert den Investor für das höhere Risiko, welches im Wesentlichen aus einem höheren Ausfallrisiko besteht. Doch wie ist dieser Credit-Spread generell einzuordnen und was sagt das derzeitige Spread-Niveau darüber aus, ob Unternehmensanleihen nun attraktiv sind oder nicht?

Zur Beurteilung der Spreads kann man diese aus zwei verschiedenen Perspektiven beleuchten, und zwar in dem man sie 1.) mit den historischen Niveaus und 2.) mit den erwarteten Ausfallraten vergleicht. Je nach Perspektive ergeben sich dabei unterschiedliche Schlussfolgerungen.

Die Spread-Niveaus erscheinen derzeit relativ eng im historischen Vergleich

Der Vergleich mit den historischen Spread-Niveaus kann v. a. dann sinnvoll sein, wenn man erwartet, dass sich die Spreads über kurz oder lang ihrem historischen Durchschnitt annähern. Eine erfolgreiche Handelsstrategie nach diesem Muster setzt ein gewisses Markttiming voraus und hat daher letztlich eine spekulative Komponente; der Investor setzt mit dem Kauf einer Unternehmensanleihe darauf, dass sich der Spread einengt und der Kurs somit steigt (unter der Annahme eines konstanten allgemeinen Renditeniveaus). Das Timing der Märkte erscheint dabei im Rückspiegel zwar immer recht offensichtlich, in die Zukunft gerichtet ist dies jedoch i. d. R. deutlich schwieriger, wenn auch nicht unmöglich.

Schaut man sich die Spreads von globalen Investment-Grade- und Hochzinspapieren im historischen Zeitverlauf an, so muss man feststellen, dass sich die Spreads derzeit an der unteren Bandbreite der vergangenen 15 Jahre befinden und eindeutig unterhalb ihres 20-jährigen Durchschnitts. Zwar waren die Spreads, v. a. im Investment-Grade-Segment, vor der Finanzmarktkrise noch tiefer als heute, dennoch kann man wohl festhalten, dass Unternehmensanleihen aus dieser Perspektive zumindest nicht mehr besonders günstig erscheinen.

Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Im Vergleich zum Ausfallrisiko sieht das Bild etwas anders aus

Vergleicht man dagegen den Spread mit dem Ausfallrisiko, so nimmt man die Perspektive eines „Buy-and-Hold“-Investors ein, der die Anleihe bis zum Laufzeitende zu halten gedenkt. Einen solchen Investor interessieren weniger die zwischenzeitlichen Bewegungen der Spread-Niveaus (und entsprechenden Kursschwankungen), sondern hauptsächlich die Renditeerwartung bis zum Laufzeitende unter Berücksichtigung der Ausfallwahrscheinlichkeiten. Liegt diese Renditeerwartung oberhalb der Rendite einer „risikolosen“ Staatsanleihe mit gleicher Laufzeit, so lohnt sich eine Investition in die Unternehmensanleihe und damit das Eingehen des zusätzlichen Ausfallrisikos. Im umgekehrten Fall lohnt es sich eben nicht.

Ohne Annahmen zu treffen, geht es dabei jedoch nicht. Denn zum einen sind die zukünftigen Ausfallwahrscheinlichkeiten leider nicht bekannt, und zum anderen erhält der Investor selbst bei einem Ausfall i. d. R. einen gewissen Betrag nach der Insolvenz des Unternehmens und der Verwertung der Vermögenswerte zurück – quasi einen Erholungswert. Um eine realistische Größe für die Ausfallrate zu erhalten, sollte man daher eine Erholungsrate mit einkalkulieren.

Um entsprechende Annahmen zu treffen, können sowohl für die Ausfallwahrscheinlichkeit als auch für die Erholungsrate einfach die historischen Durchschnittswerte dienen. So zeigt z. B. die Erfahrung, dass im Investment-Grade-Segment i. d. R. eine Erholungsrate von rund 40 % und im Hochzinssegment von rund 30 % erwartet werden kann. Für die Ausfallwahrscheinlichkeiten kann es außerdem sinnvoll sein, in Szenarien zu denken. So könnte man beispielsweise einfach den historischen Durchschnittswert als Basisszenario heranziehen und zusätzlich dazu noch ein Stressszenario berücksichtigen. Für letzteres könnte man einfach die schlimmste historische Ausfallrate im Betrachtungszeitraum wählen (z. B. während der Finanzmarktkrise).

Vergleicht man die aktuelle Kompensation von Unternehmensanleihen unterschiedlicher Rating-Segmente mit den historischen Ausfallraten unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Erholungsraten, jeweils kumuliert über 5 Jahre, so kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen (siehe Grafik unten):

  • Die aktuelle Kompensation (grüne Balken) liegt v. a. im Investment-Grade-Segment (AAA bis BBB) nach wie vor sehr deutlich oberhalb der historisch durchschnittlichen Ausfallraten (blaue Balken) – und das trotz erfolgtem Rückgang der Spreads.
  • Die Überkompensation im Vergleich zur durchschnittlichen Ausfallrate nimmt ab Beginn des Hochzinssegments (ab BB) rapide ab.
  • Die aktuelle Kompensation im Investment-Grade-Segment liegt sogar deutlich höher als die schlimmsten Ausfallraten (rote Balken). So ist die Kompensation im BBB-Segment beispielsweise immer noch rund doppelt so hoch wie die kumulierte fünfjährige Ausfallrate während eines extremen Stressszenarios wie der Finanzmarktkrise.
  • Würde uns eine große Krise wie die Finanzmarktkrise 2008/2009 bevorstehen (was wir nicht erwarten!), so wäre die Kompensation im Hochzinssegment nicht ausreichend. D. h. in einem extremen Stressszenario erscheinen Hochzinsanleihen verwundbar.

Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Als Fazit kann man festhalten, dass Investment-Grade-Unternehmensanleihen im Vergleich zur Historie zwar relativ teuer erscheinen, im Vergleich zu den potentiellen Ausfallraten jedoch weiterhin eine höhere Rendite bis zum Laufzeitende erwarten lassen als quasi-risikolose Staatsanleihen (z. B. deutsche Bundesanleihen) mit gleicher Laufzeit. Sieht man über mögliche zwischenzeitliche Kursschwankungen hinweg, so können sich solche Papiere also weiterhin lohnen. Etwas anders sieht es dagegen im Hochzinssegment (und dabei v. a. ab einem Rating von B) aus. Zwar finden wir auch dort vereinzelt noch interessante Anlagemöglichkeiten, allerdings ist hier eine noch größere Selektivität gefragt als im Investment-Grade-Segment. Diese Selektivität im Bereich der Unternehmensanleihen kann letztlich nur ein aktives Management bieten.

Der Wert der Vermögenswerte eines Fonds kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.

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