Makroökonomie und Politik
5 min zu lesen 22 Aug. 24
Der Start in den August hätte kaum turbulenter sein können. Ein regelrechter Einbruch der Aktienmärkte, vermutlich beschleunigt durch gehebelte Positionen, Trendfolge-Algorithmen und die erzwungene Auflösung massenhafter Yen-Carry-Trades, bestimmte die ersten Handelstage. Zwar scheint sich die Situation in der Zwischenzeit wieder beruhigt zu haben, dennoch sollten sich Anleger aus unserer Sicht nicht in Sicherheit wiegen und die Defensive somit nicht vernachlässigen.
Als Auslöser wurde von vielen Marktteilnehmern der schwache Arbeitsmarktbericht aus den USA, mit einer weit unter den Erwartungen gebliebenen Anzahl an neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft angeführt. Dies wiederum schürte Rezessionssorgen und führte somit zu rückläufigen Renditeniveaus entlang der US-Zinsstrukturkurve. Auf der anderen Seite des Pazifik hob die japanische Notenbank wenige Tage zuvor den Leitzins um 25 Basispunkte an, was zu einer Aufwertung des japanischen Yen führte. Es wird vermutet, dass das Zusammenlaufen der Renditedifferenz zwischen den USA und Japan in Kombination mit der rapiden Aufwertung des JPY gegenüber dem USD und dem Rückgang der globalen Aktienkurse zu einer panikartigen Auflösung des Yen-Carry-Trades geführt und somit den Abverkauf zusätzlich beschleunigt hat. Ob dem tatsächlich so war, lässt sich kaum beweisen. Ein gewisser Einfluss technischer Faktoren liegt jedoch nahe.
Fest steht, dass die ersten Anzeichen einer Korrektur am Aktienmarkt bereits einige Wochen früher zu erkennen waren. Gerade die Sektoren Technologie und Kommunikationsdienste, die den Markt zuvor maßgeblich nach oben getrieben hatten, waren als erstes von Kursrückgängen betroffen. So hatte die Aktie von NVIDIA bereits am 20. Juni ihren Höhepunkt erreicht und hat bis zum Tiefpunkt am 5. August zwischenzeitlich über 30 % an Wert verloren. Auf der anderen Seite konnten eher defensive Titel, wie z. B. Versorger, REITs oder Gesundheitswerte für eine gewisse Stabilität sorgen.
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.
Quelle: Morningstar, 13. August 2024. *Sektoren basierend auf dem MSCI ACWI Index.
Die Korrektur scheint also durch eine Kombination mehrerer Aspekte ausgelöst worden zu sein; darunter eine Neubewertung der oftmals sportlich bewerteten Technologietitel, zunehmende Rezessionssorgen in den USA sowie die weiter oben beschriebenen technischen Faktoren.
Es ist durchaus bemerkenswert, wie schnell sich Stimmung und Narrativ für die US-Wirtschaft ändern können – von „Soft-Landing“ zu Rezession und wieder zurück. Die Veränderung des Narratives lässt sich neben den allgemeinen Kursrückgängen der Aktienmärkte auch an der Veränderung der eingepreisten Zinsschritte erkennen. So wurden zum Höhepunkt der Marktvolatilität am 5. August zwischenzeitlich über 130 Basispunkte an Zinssenkungen durch die US-Fed bis zum Dezember-Meeting eingepreist, was mindestens einen aggressiven Zinsschritt von 50 Basispunkten erfordern würde. Eine derartige geldpolitische Lockerung wäre letztlich nur dann zu erwarten, wenn die Notenbank einer Rezession entgegenwirken wollte. Nur zwei Wochen später ist das Ausmaß der eingepreisten Zinssenkungen auf unter 100 basispunkte gesunken.
Eine gewisse Abkühlung der US-Wirtschaft war aus unserer Sicht bereits seit einiger Zeit absehbar. Die restriktive Geldpolitik in Form von höheren Zinsen wirkt schließlich erst mit einiger Verzögerung. Dass der Konsum in den vergangenen 12 Monaten so robust geblieben ist, dürfte wohl den überschüssigen Ersparnissen zu verdanken sein. Diese könnten jedoch bald aufgebraucht sein. Ein Zurückfahren der Konsumaktivität, die in den USA letztlich für knapp 70 % der Wirtschaftsleistung verantwortlich ist, käme daher nicht wirklich überraschend. Erst kürzlich hatten auch mehrere große Unternehmen aus dem Konsumsektor eine spürbare Abkühlung des Konsums in den USA angemerkt. So warnte u. a. der US-Baumarktriese Home Depot, dass die Umsätze in der zweiten Jahreshälfte aufgrund einer zunehmenden Zurückhaltung des US-Konsumenten wohl schwächer ausfallen dürften als erwartet. Andererseits scheinen sich die Einzelhandelsumsätze in den USA zuletzt sogar beschleunigt zu haben, was viele Marktteilnehmer überrascht hat. Von einem flächendeckenden Einbruch des Konsums kann also keine Rede sein.
Als wichtige Frühindikatoren werden häufig die sogenannten Einkaufsmanagerindizes herangezogen. Diese liefern derzeit gemischte Signale. Für die USA stehen dabei zwei Datenanbieter zur Verfügung – S&P Global und ISM. Die gute Nachricht: Die beiden Einkaufsmanagerindizes des Dienstleistungssektors für den Juli liegen jeweils noch immer oberhalb der kritischen Fünfzigermarke und deuten damit auf einen Aufschwung hin. Die schlechte Nachricht: Die Indizes des verarbeitenden Gewerbes liegen jeweils unterhalb dieser Schwelle, was einen Abschwung signalisiert. In Anbetracht der Tatsache, dass der Dienstleistungssektor ein deutlich höheres Gewicht in der US-Wirtschaft hat, erscheint das Glas aus diesem Blickwinkel jedoch eher halb voll als halb leer.
Was den Arbeitsmarkt betrifft, signalisieren die enttäuschend ausgefallenen neu geschaffenen Stellen zwar eine gewisse Abkühlung hinsichtlich der Neueinstellungen, allerdings sind noch keine größeren Entlassungswellen zu beobachten. So liegen die neuen Anträge auf Arbeitslosenhilfe weiterhin auf einem niedrigen Niveau (Stand: 8. August 2024). Der Arbeitsmarkt kühlt sich zwar etwas ab, allerdings von einem ziemlich überhitzten Niveau aus.
Zusammengefasst kann man festhalten, dass die Konjunktur in den USA zwar etwas an Dynamik zu verlieren scheint, allerdings noch nicht in dramatischer Weise. Die relativ heftige Marktreaktion der ersten Augustwoche war daher möglicherweise einfach auf die bis dahin herrschende Sorglosigkeit der Marktteilnehmer, beschleunigt durch die weiter oben genannten technischen Faktoren, zurückzuführen. Dennoch sollte die jüngste Korrektur als Warnung verstanden werden, die „Deckung“ nicht fallen zu lassen.
Auf der Aktienseite bedeutet dies, breit zu diversifizieren und sich beispielsweise nicht zu einseitig auf die heißesten Momentumaktien aus den USA auszurichten. Insbesondere das Hinzuziehen von defensiven Aktiensegmenten, wie z. B. Infrastruktur oder Gesundheitstiteln, könnte in Anbetracht der steigenden Unsicherheiten Sinn ergeben. Zudem könnten REITs von potentiell sinkenden Renditeniveaus profitieren. Auch die Bewertungen sollten aus unserer Sicht nicht außer Acht gelassen werden. Im Gegensatz zu den populären Wachstumstiteln, sind in einer Vielzahl von günstig bewerteten Value-Titeln bereits rezessionsartige Szenarien eingepreist. Die Fallhöhe dürfte aus unserer Sicht daher bei solchen Aktien reduziert sein.
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