Natur und Biodiversität: Warum nachhaltige Lebensmittelsysteme so wichtig sind

6 min zu lesen 1 Sep. 24

Die biologische Vielfalt ist für das Leben und Überleben auf der Erde unerlässlich: Wir sind auf gesunde Ökosysteme angewiesen, die uns mit Luft, Nahrung, Wasser und anderen Ressourcen versorgen. Unsere Beitragsreihe „Einblicke in Natur und biologische Vielfalt“ behandelt Themen, die für die Lösung der Krise in diesem Bereich wichtig sind. Zugleich zeigt sie Möglichkeiten auf, wie Investoren einen positiven Beitrag leisten können. Im ersten Teil beschäftigt sich Nishita Karad mit der Bedeutung nachhaltiger Lebensmittelsysteme. 

Ein nachhaltiges Lebensmittelsystem – und warum es wichtig ist

Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN zufolge zeichnet sich ein nachhaltiges Lebensmittelsystem dadurch aus, dass es „Ernährungssicherheit und Ernährung für alle so gewährleistet, dass sie die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Grundlagen für die Ernährungssicherheit und Ernährung künftiger Generationen nicht beeinträchtigen".1

Dieser Definition zufolge muss ein nachhaltiges Lebensmittelsystem verschiedene Kriterien erfüllen: Es muss in allen Stufen der Wertschöpfungskette rentabel sein (wirtschaftliche Nachhaltigkeit); es muss einen breiten Nutzen für die Gesellschaft haben (soziale Nachhaltigkeit); und seine Auswirkungen auf die Natur müssen positiv oder neutral sein (ökologische Nachhaltigkeit).

Das Lebensmittelsystem – also die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert, bereitgestellt, verteilt und konsumiert werden – ist eng mit der menschlichen Entwicklung und der Natur verknüpft. Daher ist ein nachhaltiges Lebensmittelsystem der Schlüssel zur Erreichung aller 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Im Jahr 2050 müssen Schätzungen zufolge rund 9-10 Milliarden Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt werden; zugleich müssen bis dahin die Nettoemissionen auf null sinken, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Das setzt nachhaltige, allgemein zugängliche, gesunde und effiziente Lebensmittelsysteme voraus.

„Eine höhere Nachfrage bei gleichbleibendem Flächen- und Wasserverbrauch decken und zugleich die Emissionen verringern – das setzt Fortschritte in der Lebensmittelproduktion voraus.“

Das derzeitige Lebensmittelsystem ist nicht nachhaltig

Das heutige Lebensmittelsystem ist für die Menschen ebenso problematisch wie für den Planeten. Jahr für Jahr entstehen schätzungsweise 10 Billionen US-Dollar an versteckten Kosten für Gesundheit und Umwelt – das entspricht 10 % des globalen BIP.2

21-37 % der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus dem Lebensmittelsystem; allein die Viehwirtschaft verursacht nach Schätzungen des IPCC – also des „Weltklimarats“ – fast die Hälfte davon.3 Wenn die Entwicklung so weitergeht, könnte dieser Anteil bis 2050 sogar auf 50 % aller Treibhausgasemissionen ansteigen.4 Darüber hinaus ist die Landwirtschaft für rund 70 % des weltweiten Süßwasserverbrauchs verantwortlich, beansprucht etwa 40 % der weltweiten Landfläche und verursacht mehr als 90 % der Abholzung tropischer Wälder.5

Auch auf die Menschen wirkt sich das Lebensmittelsystem negativ aus. Im Jahr 2022 wurden mehr als eine Milliarde Menschen als fettleibig und fast zwei Milliarden als übergewichtig eingestuft, was zu rasant wachsenden Gesundheitsproblemen beiträgt.6 Zur gleichen Zeit müssen etwa 700 Millionen Menschen hungern.7 Industrielle Tierzuchtbetriebe halten viele Tiere auf engem Raum; das kann die Entstehung tödlicher Viren begünstigen und antibiotikaresistente „Superbugs“ verbreiten, also gefährliche Bakterienstämme. Insgesamt ist die ungesunde Ernährung heute ein größeres Krankheits- und Todesfallrisiko als ungeschützter Sex, Alkohol-, Drogen- und Tabakkonsum zusammengenommen.8
 

Drei Themen für Investoren, um zur Lösung dieser Herausforderung beizutragen
 

Weniger Lebensmittelverluste und -abfall

Schätzungen gehen davon aus, dass Lebensmittelverluste und -abfall 8-10 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen.9 Weltweit gehen im Durchschnitt schätzungsweise 30 % der Lebensmittel verloren oder landen ungenutzt im Müll: 14 % zwischen der Ernte und dem Einzelhandel und weitere rund 17 % im Einzelhandel und bei den Konsumenten.10 Die nachstehende Abbildung zeigt den durchschnittlichen jährlichen Lebensmittelabfall pro Person in verschiedenen Regionen. Allerdings ist die Datenlage teilweise nicht ausreichend, besonders für Länder mit niedrigem Einkommen und für die Bereiche „Restaurants und Kantinen“ und „Einzelhandel“ in Ländern mit mittlerem Einkommen.

Es gibt eine Reihe von Ansatzpunkten, um zur Lösung dieser Herausforderung beizutragen:

  • Abfallwirtschaft: Lösungen für eine innovative Abfallsammlung und -verarbeitung entlang der gesamten Lebensmittelkette. Vor allem verbrauchernahe Lösungen, die auf ein verbessertes Konsumverhalten zielen, können den Lebensmittelabfall erheblich reduzieren – besonders in den entwickelten Volkswirtschaften.
  • Abfall als Energiequelle: Technologische Entwicklungen für eine Energiegewinnung aus Lebensmittelabfällen sind eine vielversprechende Lösung, um die negativen Auswirkungen der Müllberge zu verringern.
  • Bessere Lagerung und Kühlung von Lebensmitteln: Lösungen dafür sind besonders angesichts der sich verändernden klimatischen Bedingungen relevant.
  • Kreislaufproduktion und verbessertes Produktdesign: Der Übergang von der linearen zur zirkulären Produktion und besser recycelbare, länger haltbare Produkte können dazu beitragen, Abfälle schon vom Beginn der Wertschöpfungskette an zu reduzieren.

Im Rahmen der Impact-Strategien investiert M&G beispielsweise in Aktien von Darling Ingredients. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Lebensmittelabfälle zu sammeln und zu recyceln. Darling Ingredients raffiniert und recycelt eine Vielzahl von tierischen Nebenprodukten, Bäckereiabfällen und gebrauchten Speiseölen. Diese kommen dann in einer breiten Palette von Zutaten und Produkten zum Einsatz: beispielsweise in Tierfutter, organischen Düngemitteln, Kollagenen, Bio-Diesel und Biogas.

Verbesserte Lebensmittelproduktion

Eine höhere Nachfrage bei gleichbleibendem Flächen- und Wasserverbrauch decken und zugleich die Emissionen verringern – das setzt Fortschritte in der Lebensmittelproduktion voraus.

Potenzial für eine solche effizientere Lebensmittelproduktion sehen wir in mehreren Bereichen:

  • Effizienter Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden: Der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden ist weit verbreitet, und er hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt – etwa durch den Verlust von biologischer Vielfalt, Bodenverschlechterung und -übersäuerung. Allerdings wird es unmöglich sein, ohne diese Mittel mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten. Lösungen wie ein präziseres Ausbringen der Mittel, organische Düngerersatzstoffe sowie Vorgehensweisen und Technologien zur Düngemittelreduzierung können hier wichtige Beiträge leisten.
  • Agritech: Technologien zur Optimierung der Landwirtschaft bei gleichzeitig verringertem Wasser-, Düngemittel- und Pestizideinsatz können dazu beitragen, die Effizienz der Lebensmittelproduktion zu steigern. Zu den Lösungen gehören Software zur Analyse von Wetter- und Bodendaten, Präzisionswerkzeuge für die Aussaat sowie Erntemaschinen, die das Risiko von Ertragsausfällen mindern.
  • Innovative Instrumente zur Bodenbewirtschaftung: Neue technische Ansätze können dazu beitragen, die verlorene biologische Vielfalt und den Kohlenstoff im Boden wiederherzustellen. Es mag überraschend klingen, doch die Verschlechterung der Bodenqualität ist eine der am wenigsten beachteten negativen Auswirkungen der intensiven Nahrungsmittelproduktion. Sie wirkt sich auf die Ernteerträge, die zunehmende Wüstenbildung und die wachsende Überschwemmungsgefahr aus – ein weiterer Beweis für die Verflechtung der vier Naturbereiche nach der Definition der „Taskforce on Nature-related Financial Disclosures“ (TNFD).
  • Anpassung an Klimawandel und Wasserknappheit: Entsprechende Lösungen können den Lebensmittelproduzenten helfen, klimabedingte Probleme wie Wasserqualität und -knappheit zu bewältigen; solche Lösungen werden für den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem große Bedeutung haben.

Im Rahmen der Impact-Strategien investiert M&G in diesem Bereich beispielsweise in Aktien von Tomra. Das Unternehmen entwickelt mit Hilfe seiner optischen Scantechnologie Lösungen für die Sortierung und Klassifizierung von Lebensmitteln. Seine sensorgestützten Sortierlösungen können im Verarbeitungsprozess die Produktbestandteile mit unerwünschten Merkmalen schnell und effektiv erkennen, indem sie Farbe, Form, Größe, Struktur und sogar biologische Eigenschaften automatisiert analysieren. Dies trägt dazu bei, die Abfallquoten zu verringern und die Effizienz zu verbessern.

Verstärkte Nutzung pflanzlicher Lebensmittel

Untersuchungen zufolge machen Fleisch und Milchprodukte weltweit etwa 60 % der landwirtschaftlichen Emissionen aus – doch sie liefern nur 18 % der Kalorien und 37 % der Proteine. Das Lebensmittelsystem kann also nachhaltiger werden, wenn anstelle von tierischem Eiweiß verstärkt pflanzliche Lebensmittel produziert und konsumiert werden.

Wie lässt sich die Umstellung auf pflanzliche Proteine beschleunigen? In den letzten Jahren gab es verschiedene lebensmitteltechnologische Innovationen, die in diese Richtung zielen, und die Nachfrage nach solchen Technologien steigt. Dies dürfte auf das gestiegene Bewusstsein der Verbraucher für die Auswirkungen von tierischem Eiweiß auf Gesundheit, Wohlergehen und Umwelt zurückzuführen sein; der Markterfolg von Produkten auf Basis alternativer Proteinquellen bestätigt dies. Dieser Trend wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren fortsetzen.

Es gibt mehrere alternative Technologien zur Proteingewinnung, die derzeit auf dem Markt genutzt werden:

  • Hochentwickeltes Protein auf Pflanzenbasis: Dabei werden alternative Proteine aus pflanzlichen Quellen gewonnen und in Bezug auf Geschmack, Textur und Nährwert optimiert. Dafür kommen neuartige pflanzliche Proteinquellen – etwa Mungobohnen, Lupinen und Algen – oder innovative Verarbeitungsmethoden wie die Scherzellentechnologie zum Einsatz.
  • Fermentation: Erzeugung spezifischer Proteine wie Kasein und Molke durch einen Brauprozess, bei dem Hefeorganismen auf die Produktion der Proteine programmiert werden.
  • Zellkultur: Züchtung von Fleischzellen (Muskeln und Fett) in einem nährstoffreichen Medium, um ganze Gewebestücke zu erzeugen.

Für die Impact-Strategien von M&G suchen wir aktiv nach börsennotierten Unternehmen, die in diesem relativ jungen Bereich wirkungsvolle Lösungen entwickeln. Diese Firmen analysieren wir sehr genau: Sie müssen wesentliche, messbare und beabsichtigte positive Auswirkungen erzielen und zugleich Qualitätsunternehmen mit dem Potenzial für langfristig attraktives wirtschaftliches Wachstum sein. Bisher haben wir noch keine Kandidaten gefunden, die unsere strengen Kriterien in beiden Feldern – positive Auswirkungen und wirtschaftliche Qualität – erfüllen, doch wir bleiben in diesem Bereich aktiv. Unserer Beobachtung nach gibt es auch auf den Private Markets vielversprechende und innovative Unternehmen, mit denen unsere Kollegen aus dem Private Assets-Bereich zusammenarbeiten und deren Fortschritte wir genau verfolgen.

Fazit: Effizienz und Nachhaltigkeit zählen

Ein effizientes und nachhaltiges Lebensmittelsystem ist von entscheidender Bedeutung, um eine wachsende Bevölkerung gesund zu ernähren. Zugleich muss das System dem Klima- und Naturschutz Rechnung tragen und den Millionen von Landwirten weltweit ein auskömmliches Einkommen sichern. Die Herausforderungen werden Tag für Tag größer, sowohl durch das Bevölkerungswachstum als auch durch die Auswirkungen des Klimawandels. Die Bedeutung innovativer Lösungen für den Übergang zu einem nachhaltigeren System ist nicht zu unterschätzen, und sie eröffnet für Investoren eine hochinteressante Gelegenheit.

Food and Agriculture Organisation, ‘Sustainable Food Systems - Concept and Framework’, (fao.org), 2018.
2 Food and Agriculture Organisation, ‘The State of Food and Agriculture’, (unep.org), 2023.
3 IPCC, ‘Climate Change and Land: An IPCC Special Report on Climate Change, Desertification, Land Degradation, Sustainable Land Management, Food Security, and Greenhouse Gas Fluxes in Terrestrial Ecosystems', (ipcc.ch), 2019.
4 IMF, ‘Why sustainable food systems are needed in a post-COVID world’, (imf.org), 2020.
5 Food and Agriculture Organisation, ‘Water for Sustainable Food and Agriculture’, 2017, ‘Land use in agriculture by the numbers’, 2020, ‘COP26: Agricultural expansion drives almost 90 percent of global deforestation’, 2020.
World Health Organisation, ‘World Obesity Day 2022 – Accelerating action to stop obesity’, (who.int), 2022.
7 Food and Agriculture Organisation, ‘Hunger and food insecurity’, (fao.org), 2023.
8 EAT-Lancet Commission, ‘Healthy Diets from Sustainable Food Systems. Food, Planet, Health.’, (eatforum.org), 2020.
9 United Nations Environment Programme, ‘Food Waste Index Report’, (unep.org), 2021.
10 United Nations Environment Programme, ‘Driving finance for Sustainable Food Systems’, (unep.org), 2023.
von Nishita Karad

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