Makroökonomie und Politik
5 min zu lesen 21 März 25
In meinem monatlichen Marktkommentar vom Januar (siehe hier), warf ich die Frage auf, ob eine Korrektur am US-Aktienmarkt überfällig sei. Etwa ein Monat später begann die „überfällige“ Korrektur. Im Mittelpunkt des Abverkaufs standen dabei die technologieorientierten Unternehmen, die zuvor die Zugpferde des US-Aktienmarktes waren. Vom seinem Hoch am 19. Januar hat der S&P 500 zwischenzeitlich rund 10 % korrigiert, während der Nasdaq sogar um fast 14 % nachgegeben hat.
Unter Berücksichtigung des Abstandes der Bewertungen im Vergleich zum Zehnjahresdurchschnitt hatte ich das Korrekturpotential des S&P 500 im Januar auf rund 20 % beziffert. Rein theoretisch wäre demnach noch ein gewisses Korrekturpotential vorhanden. Dieses könnte sich sogar noch weiter erhöhen, wenn die Gewinnerwartungen nach unten angepasst würden, was die Bewertung auf Basis des erwarteten KGVs heute teurer erscheinen lassen würde.
Tatsächlich erscheint ein Rückgang der Gewinnerwartungen in den USA aus meiner Sicht gar nicht so unwahrscheinlich. Denn einige der jüngsten Wirtschaftsdaten haben zuletzt enttäuscht. Ausgerechnet der US-Konsum scheint sich derzeit abzukühlen. Die jüngsten Einzelhandelsumsätze sind deutlich niedriger ausgefallen als erwartet, das Konsumentenvertrauen ist rückläufig, ebenso wie die Konsumausgaben, die zuletzt entgegen den Erwartungen gesunken sind. Gleichzeitig sind die Inflationserwartungen im Hinblick auf die erwarteten Zölle von Donald Trump angestiegen. Insgesamt erscheint die aktuelle Gemengelage also nicht gerade günstig für den US-Konsum. Da dieser knapp 70 % der Wirtschaftsleistung der USA ausmacht, dürfte sich die Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt auf die konsumorientierten Wirtschaftsdaten der USA richten.
Ein völlig anderes Bild zeigt sich dagegen in Europa. Hier scheint sich fast schon eine gewisse Euphorie breit zu machen. Hintergrund ist das von Deutschland zunächst angekündigte und nun beschlossene Infrastrukturpaket in Höhe von 500 Mrd. Euro und die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Darüber hinaus haben die EU-Staaten erst kürzlich ein Paket in Höhe von 800 Mrd. Euro für die Aufrüstung Europas beschlossen. Diese umfangreichen Investitionsprogramme könnten sich für Europa als langersehnter Wachstumsimpuls erweisen und dürften einen signifikanten Effekt auf weite Teile der europäischen Industrie haben.
Der zu erwartende Investitionsboom dürfte aus unserer Sicht vielen europäischen Unternehmen zu Gute kommen. Während zuletzt vor allem Rüstungsunternehmen eine hohe Aufmerksamkeit genossen, könnten aus unserer Sicht auch viele andere industrienahe Unternehmen von den anstehenden Investitionsprogrammen profitieren. Hinzu kommen Unternehmen, denen die im deutschen Infrastrukturpaket enthaltenen Ausgaben für den Klimaschutz in Höhe von 100 Mrd. Euro neue Wachstumschancen eröffnen könnten. Auch der Bankensektor dürfte von einer steigenden Kreditnachfrage im Zuge eines kapitalinvestitionsgetriebenen Konjunkturaufschwungs profitieren.
Während in den letzten Jahren eine massive Kapitalbewegung von Europa in die USA stattgefunden hat, könnte ein Teil dieses Kapitals nach den jüngsten Ereignissen den Weg zurück nach Europa finden, sofern sich das Narrativ eines Aufschwungs in Europa verfestigt. Sollte auch nur ein Teil dieser Kapitalströme in die gegengesetzte Richtung fließen, könnte sich dies als zusätzlicher Rückenwind für den europäischen Aktienmarkt erweisen.
Auch aus Sicht der Bewertungen erscheint der europäische Aktienmarkt trotz der starken Entwicklung nicht besonders teuer. Das erwartete KGV des MSCI Europe liegt ziemlich genau im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Sollten sich die Gewinnerwartungen für die europäischen Unternehmen in den nächsten Wochen aufgrund des steigenden Optimismus erhöhen, könnte der europäische Aktienmarkt unter den derzeitigen Bedingungen immer noch einen relativen Mehrwert bieten.
Interessant wird es, wenn man die Bewertung des US-Aktienmarktes dem europäischen Aktienmarkt gegenüberstellt und die Entwicklung über die letzten 20 Jahre betrachtet. So fällt zunächst auf, dass der US-Aktienmarkt schon immer einen signifikanten Bewertungsaufschlag gegenüber Europa aufwies – im Durchschnitt knapp 25 %. Auffällig ist zudem, dass der Bewertungsaufschlag über die letzten Jahre deutlich angestiegen ist und im Dezember letzten Jahres einen Spitzenwert von 69 % erreicht hat. Seitdem ist der Aufschlag jedoch drastisch auf rund 42 % gesunken. Dennoch besteht noch genügend Potential für eine weitere Normalisierung der Bewertungsdiskrepanz.
Das Momentum scheint derzeit auf Seiten Europas zu liegen und hier vor allem im Value-Segment. Denn insbesondere industrienahe Unternehmen gelten als Gewinner der zu erwartenden Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung. In unserer europäischen Value-Strategie halten wir hier unter anderem Unternehmen wie Arcelor Mittal, Bilfinger, Wienerberger und Daimler Trucks im Portfolio. Auch im Bankensektor gibt es trotz der bereits starken Kurszuwächse noch viele günstig bewertete Unternehmen mit erwarteten KGVs unterhalb von 10. Hier sind unter anderem die Commerzbank, Caixabank, Bank of Ireland und BBVA teil des Value-Portfolios.
Zwar dürften die Programme der lahmenden Konjunktur positive Impulse geben, gleichzeitig könnten sie jedoch auch zu einem Aufwärtstrend bei den europäischen Anleiherenditen führen. Allein die Ankündigung des 500 Mrd. Euro schweren Infrastrukturpakets hat die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen und mit ihnen die Renditen der übrigen Euro-Staatsanleihen sprunghaft ansteigen lassen. Der Renditeanstieg ist in etwa zur Hälfte auf einen Anstieg der Inflationserwartungen zurückzuführen (die Infrastruktur- und Verteidigungsinvestitionen werden als inflationär angesehen). Die andere Hälfte dürfte damit auf eine gestiegene Risikowahrnehmung zurückzuführen sein. Die Tatsache, dass die Renditeniveaus selbst für Deutschland mit einer moderaten Staatsschuldenquote von 63 % plötzlich so sprunghaft ansteigen können, lässt erahnen, was passieren würde, wenn Staaten wie Italien (Staatsschuldenquote 135 %), Frankreich (111 %) oder Spanien (108 %) ähnliche Programme ankündigen würden.
Da steigende Renditen die Haushaltslage der EU-Staaten über die der Zinskosten zusätzlich belasten, könnten sie die Investitionsbemühungen insgesamt potenziell einschränken. Gleichzeitig wirken sich steigende Renditeniveaus tendenziell negativ auf die Bewertungen am Aktienmarkt aus. Daher sollten Aktienanleger die Entwicklung der Staatsanleiherenditen im Auge behalten.
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