Aktien
6 min zu lesen 28 März 25
In den letzten Jahren war Value-Investing – also der Kauf von wenig gefragten Aktien mit niedrigen Bewertungen – unpopulär. Die anhaltende Underperformance des Value-Stils nach der globalen Finanzkrise hat zu der Einschätzung geführt, dass der Ansatz nicht mehr funktioniert. Viele Anleger haben den Value-Stil daher aufgegeben.
Die Dominanz von Wachstumstiteln auf dem US-Aktienmarkt und weltweit war in den letzten Jahren zweifellos selbst für den überzeugtesten Value-Investor eine Herausforderung. Wir halten die vorherrschende Einschätzung des Value-Ansatzes jedoch für unbegründet. Stattdessen sind wir überzeugt, dass die Aussichten für Value-Investments derzeit sehr vielversprechend sind, und widersprechen der Auffassung, dass der Value-Stil irrelevant sei.
In mehreren Regionen außerhalb der USA hat sich das Value-Segment des Aktienmarkts in den letzten drei Jahren sogar besser entwickelt als das Growth-Segment. In Europa und Japan war diese Outperformance ziemlich ausgeprägt, was viele überraschen mag. Das ist ein aktueller Beleg dafür, dass Value-Aktien sehr wohl relevant sind und wieder mehr Aufmerksamkeit der Anleger verdient haben.
Die Auffassung, dass ein Value-Ansatz nicht mehr erfolgreich ist, stellt nur eines von mehreren Mythen dar, die unseres Erachtens in Bezug auf Value-Investments existieren. Schauen wir uns einige andere dieser Vorurteile genauer an.
Eine der am häufigsten vorgebrachten Behauptungen ist die, dass die höheren Bewertungen von Wachstums- und Qualitätsaktien durch die jeweiligen Fundamentaldaten gerechtfertigt sind. Argumentiert wird, dass diese hoch bewerteten Aktien angesichts überragender Qualität oder starken Wachstums der Unternehmen nicht wirklich so teuer sind.
Wir halten diese Einschätzung für falsch: In vielen Fällen spiegeln die hohen Aktienbewertungen keineswegs eine überlegene Entwicklung der jeweiligen Unternehmen wider. Nehmen wir beispielsweise den US-Einzelhandelsriesen Walmart, der von vielen als stabiles Qualitätsunternehmen angesehen wird. Sein Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) ist in den letzten zehn Jahren von etwa 15 im Jahr 2015 auf rund 37 im Jahr 2025 gestiegen.
Walmart hat in dieser Zeit einen starken Wandel durchlaufen und zum Beispiel in den elektronischen Handel und die Automatisierung von Prozessen investiert. Doch trotz beträchtlicher Innovationen und Investitionen liegt die Rendite des Unternehmens auf das investierte Kapital konstant bei 13 %. Während sich die Bewertung von Walmart in einem Jahrzehnt mehr als verdoppelt hat, ging das also nicht mit einer Verbesserung der Fundamentaldaten einher.
Die Ausnahmestellung der USA und Optimismus der Anleger könnten die Bewertung von Walmart jedoch auf einem hohen Niveau halten, obwohl die fundamentale Situation weiterhin stagniert. Bei einer derartigen Diskrepanz zwischen den Markterwartungen für eine Aktie und der Unternehmensrealität ist schwer vorherzusagen, wann es zu einer Korrektur kommt. Letztendlich werden nach unserer Überzeugung jedoch die jeweiligen Fundamentaldaten den Ausschlag geben. Irgendwann werden sich die Marktteilnehmer der Bewertungsproblematik bewusst werden und erkennen, dass die Aktienbewertung des Unternehmens nicht seine Fundamentaldaten widerspiegelt.
Ein entsprechendes Praxisbeispiel ist Pernod Ricard, das ebenfalls als Qualitätsunternehmen wahrgenommen wird. Der Aktienkurs des europäischen Getränkeherstellers stieg zwischen 2009 und 2022 sehr stark an. Der freie Cashflow des Unternehmens hat sich in diesem Zeitraum jedoch nicht verändert. In den letzten zwei Jahren ist der Aktienkurs von Pernod Ricard kräftig gefallen, da die Anleger erkannt haben, dass sich die fundamentale Entwicklung des Unternehmens nicht wirklich verbessert hat.
Ob dies auch das Schicksal von Walmart sein könnte, bleibt abzuwarten. Aber analog zum Beispiel Pernod Ricard halten wir die Idee, dass „die hohen Bewertungen von Wachstums- und Qualitätsaktien immer durch die Fundamentaldaten gerechtfertigt sind“ für ein Fehlurteil.
Eine weitere Fehleinschätzung ist aus unserer Sicht die, dass Anleger heutzutage nur die so genannten Magnificent 7 besitzen müssen. Dieser Irrglaube ist offenbar dadurch entstanden, dass diese großkapitalisierten US-Titel (und insbesondere Nvidia) den Markt dominieren und die Wertentwicklung des Gesamtmarkts in den letzten Jahren bestimmt haben. Die Tatsache, dass sie einen beträchtlichen Anteil der Indizes ausmachen, hat wohl den Eindruck erweckt, dass der Growth-Stil viel besser abschneidet als ein Value-Ansatz.
Wir halten dem entgegen, dass es mehrere Beispiele für Value-Aktien gibt, die sich genauso gut wie die Magnificent 7, wenn nicht sogar besser entwickelt haben. Die Magnificent 7 stellen eine Gruppe ziemlich stark miteinander korrelierter Aktien dar, die mit einem ähnlichen Thema (New Economy) verknüpft sind. Dagegen ist unser Global Value Seven-Aktienkorb eine vielfältige Gruppe, die verschiedene Sektoren und Länder abdeckt.
Unserer Ansicht nach beeinträchtigt die starke Konzentration des US-Markts und damit auch des globalen Markts nicht nur die Diversifizierung von Anlegerportfolios, sondern überdeckt auch die Beiträge von Value-Aktien mit guter Wertentwicklung.
Eine Region, in der die Marktkonzentration nicht so ausgeprägt ist und in der viele Value-Aktien derzeit eine gute Wertentwicklung aufweisen, ist Europa. Zwar stellen hoch bewertete Titel aus den Bereichen Luxusgüter und Basiskonsum auch dort eine Herausforderung dar. Jedoch hat das Fehlen von Verzerrungen wie im Fall der US-amerikanischen Magnificent 7 dazu geführt, dass ein Value-Ansatz in Europa in den letzten Jahren erfolgreich war.
Die Idee, dass Anleger nur die Magnificent 7 halten müssen, ist unseres Erachtens somit ebenfalls ein Fehlurteil. Die Wertentwicklung dieser Aktiengruppe im bisherigen Jahresverlauf hat unsere Ansicht gestärkt. Ihre Wertentwicklung ist insgesamt hinter den S&P 500 zurückgefallen, während die Notierungen an den europäischen Aktienmärkten gestiegen sind. Wir sehen dies als Bestätigung, dass jenseits der Magnificent 7 zahlreiche attraktive Aktienchancen bestehen.
Ein häufig zu hörendes Argument ist, dass Value-Investing bedeutet, auf Wachstum und Qualität zu verzichten. Das ist aber nur bis zu einem gewissen Grad der Fall. Kauft man günstigere Aktien, muss man zwar Kompromisse eingehen, aber die Kunst besteht darin, dabei auf so wenig wie möglich zu verzichten. Und derzeit müssen Value-Investoren aus unserer Sicht nur minimale Abstriche machen. Im Rahmen unserer Value-Strategien konnten wir Portfolios mit hohem Value-Anteil zusammenstellen, ohne dass wir auf Qualität oder Wachstum verzichten mussten.
Betrachtet man das Gewinnwachstum von Aktien im günstigsten und im teuersten Teil des globalen Markts in den letzten fünf Jahren, zeigt sich, dass die jeweiligen Wachstumsraten in fast allen Sektoren entweder sehr ähnlich sind oder sich der günstigste Teil des Markts sogar besser entwickelt hat. Zwar gibt es wichtige Ausnahmen wie die Bereiche Informationstechnologie und Immobilien, dennoch haben günstigeren Aktien allgemein nicht so schlecht abgeschnitten, wie die Anleger vielleicht erwartet haben.
Eine weitere wichtige Beobachtung ist die erhebliche Differenz zwischen den Bewertungen der beiden Kategorien. In den meisten Fällen ist die Bewertung der günstigsten Aktiengruppe etwa halb so hoch wie die der teuersten Gruppe; im Bereich nicht-zyklische Konsumgüter beträgt sie sogar nur etwa ein Drittel. Während die Ergebnisse der einzelnen Gruppen in Bezug auf das Gewinnwachstum meist recht ähnlich waren, sind die Bewertungen am Markt extrem unterschiedlich.
Infolgedessen können Value-Investoren heute Portfolios mit einem hohen Anteil an Value-Aktien bilden, ohne dass sie in punkto Wachstum oder Qualität große Abstriche machen müssen. Sie müssen sich also nicht auf wirklich angeschlagene Unternehmen einlassen, die problematische Bilanzen aufweisen oder tiefgreifende Umstrukturierungen vornehmen. Stattdessen können sie sich in Firmen mit guten Aussichten engagieren, die über ein fähiges Management verfügen und unserer Meinung nach gute Renditen erwirtschaften.
Wir glauben, dass der Zeitpunkt für Value-Anleger günstig ist, und halten die Vorstellung, dass Value-Investments mit einem Verzicht auf Wachstum und Qualität einhergehen, ist schlichtweg ein Trugschluss.
Für Anleger, die sich von Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit Value-Investments nicht täuschen lassen, bestehen unserer Meinung nach im Bereich der Value-Aktien zahlreiche Chancen. Insbesondere bietet das Marktsegment die Aussicht auf ausgeprägte Diversifizierungsvorteile. Früher konzentrierten sich Value-Titel auf bestimmte Teilbereiche des Aktienmarkts, doch heute sehen wir Value-Charakteristika am gesamten Markt. Dies eröffnet unseres Erachtens die Möglichkeit, diversifizierte Portfolios aus bedeutenden Unternehmen zu attraktiven Bewertungen zu bilden.
Value-Aktien ermöglichen in einem unsicheren Umfeld unserer Meinung nach ein Exposure in Risikoanlagen zu angemessenen Bewertungen und stellen entgegen verbreiteter Vorurteile attraktive langfristige Chancen dar.
Der Wert eines Investments kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass Preise steigen und fallen können, und Investoren bekommen möglicherweise weniger zurück, als sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst und nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers betrachtet werden.