Private Markets
10 min zu lesen 29 Apr. 25
Investoren haben die Private Markets in den letzten Jahren noch stärker für sich entdeckt. Ihr Potenzial für erhöhte Anlagerenditen ist inzwischen gut bekannt. Doch sie können auch in einer anderen Hinsicht eine wichtige Rolle spielen – bei der Diversifizierung. Simon Sharp analysiert, ob Private Markets die traditionellen Konzepte der Diversifizierung durchbrechen und die Attraktivität dieser wachsenden Anlageklasse weiter steigern könnten.
Wie lässt sich ein ausgewogenes Portfolio aufbauen? In der Vergangenheit galt dafür eine Hauptregel: Um die Volatilität in den Griff zu bekommen, musste ein diversifiziertes Portfolio Aktien und Anleihen kombinieren. Die beiden Anlageklassen sind historisch gesehen negativ korreliert, entwickeln sich also in entgegengesetzte Richtungen. Die Volatilität der Renditen eines Portfolios kann daher durch eine Allokation in beide Anlageklassen gemindert werden. Man spricht oft von einem „60/40“-Portfolio – 60 % sind in Aktien und 40 % in festverzinsliche Wertpapiere investiert.
In den beiden Jahrzehnten bis 2020 war die angesprochene negative Korrelation von Aktien und Anleihen weitgehend stabil. In jüngster Zeit scheint sich diese Beziehung jedoch verändert zu haben: Beide Anlageklassen korrelieren tendenziell eher positiv als negativ.¹ Wie kam es dazu? Ist der traditionelle 60/40-Ansatz noch gültig? Und sollten Investoren jetzt nach alternativen Diversifizierungsquellen suchen?
Ein verlässliches Ertragsprofil ist wichtig für Pensionsfonds und andere Portfolios, die eine Rolle bei der Altersversorgung spielen. In den letzten 20-30 Jahren haben sich Aktien recht volatil entwickelt, die Kurse schwankten also. Im Gegensatz dazu lieferten Anleihen zuverlässige positive Renditen – wenn auch eher bescheidene.¹ Damit haben Anleihen die Gesamtvolatilität und das Risiko von Portfolios gesenkt. Das Jahr 2022 bildete eine seltene Ausnahme: Aufgrund von globalen Angebotsschocks durch den Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie gaben sowohl die Aktien- als auch die Anleihekurse nach.
Das Jahr 2022 liefert jedoch eine wertvolle Fallstudie, da es die zentrale Rolle der Inflation für die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen verdeutlicht. Beide Anlageklassen gaben 2022 nach, als globale Lieferengpässe die Inflation kräftig in die Höhe trieben. Die Zentralbanken reagierten darauf mit Zinserhöhungen, die sowohl Aktien als auch Anleihen belasten können.
Die Inflation beeinflusst also die Korrelation zwischen Anleihen und Aktien. Doch welche Inflationsszenarien würden die Richtung dieser Beziehung mitprägen?
Es gab also jüngst eine längere Phase mit volatiler und höherer Inflation. Kann man sich also nicht mehr auf die traditionelle negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen verlassen? Und gibt es andere Wege, um die gewünschte Diversifikation im Portfolio zu erreichen?
Institutionelle Investoren sind schon seit einigen Jahren verstärkt auf den Private Markets aktiv: In ihren Portfolios liegt der Anteil inzwischen bei rund 12 % (Aviva Private Markets Study, 2024). Der Bereich Privatkunden und professionelle Anleger liegt mit nur 5 % weit zurück (Bain, 2023). Diese Investoren hatten bislang Bedenken, was die Zugänglichkeit und Liquidität der Private Markets angeht.
Heute kann jedoch kein Investor mehr das Private Markets-Universum ignorieren – es ist schlicht und einfach zu sehr gewachsen. Das Volumen der öffentlichen Aktien- und Anleihemärkte wird auf 152 Billionen US-Dollar geschätzt (JP Morgan, 2023). Die Private Markets sind mit 14,3 Billionen US-Dollar (UBS, 2025) weitaus kleiner, ihr Volumen wächst aber deutlich schneller: Preqin prognostiziert, dass es sich bis 2033 auf 30 Billionen US-Dollar mehr als verdoppeln wird.
Was macht die Private Markets für Portfoliokonstruktion und Diversifizierung wichtig? Die Antwort ist: Die Performance der Private Markets ist in der Regel unabhängig von Aktien oder Anleihen. Die nachstehenden Schaubilder veranschaulichen die geringe bzw. negative Korrelation mit diesen beiden Anlageklassen (US-Staatsanleihen stehen dabei stellvertretend für alle Anleihen).
Bei einer positiven Korrelation von +1,0 entwickeln sich verschiedene Vermögenswerte exakt im Gleichklang, bei einer negativen Korrelation von -1,0 vollständig unabhängig voneinander. Verschiedene Private Markets und globale Aktien korrelieren zwar positiv, aber in sehr geringem Maße (Schaubild 1). Die entscheidende Frage ist jedoch eine andere: Bieten Private Markets eine größere Diversifizierung gegenüber Staatsanleihen als börsennotierte Aktien? Die Daten deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist: Die Korrelation zwischen börsennotierten Aktien und Staatsanleihen (vertreten durch US-Staatsanleihen) liegt bei -0,04². Das ist deutlich geringer als die Korrelation von globalen Aktien mit allen Private Markets.
Dies trifft jedoch nicht auf die Korrelation mit Anleihen zu. Wie Schaubild 2 zeigt, korreliert jedes Segment der Private Markets negativ mit Staatsanleihen – und zwar deutlich stärker als die oben genannten -0,04 bei börsennotierten Aktien und Staatsanleihen. Es würde also wahrscheinlich die Diversifizierung eines Aktien-/Anleiheportfolios verbessern, wenn der Anteil von Staatsanleihen zugunsten von Private Market-Anlagen verringert wird.
Es gibt einen wichtigen Vorbehalt: Ein großer Teil der niedrigen/negativen Korrelation zwischen Private Markets und Anleihen bzw. Aktien liegt wahrscheinlich an disruptiven Marktereignissen oder Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums/Rezessionen. In einer länger anhaltenden Periode mit starkem Wirtschaftswachstum könnten sich diese Korrelationen abschwächen.
Zusätzlich zu den Diversifikationsvorteilen, die sich aus der niedrigen bzw. negativen Korrelation mit den beiden Hauptanlageklassen ergeben, wurde eine weitere Erkenntnis gewonnen: Private Markets – bei weitem kein homogener Markt – weisen untereinander nur eine geringe Korrelation auf.
Die Korrelation zwischen den verschiedenen Private Market-Segmenten ist also positiv, aber gering. Damit kann die Anlageklasse in einem ausgewogenen Portfolio noch besser zur Risikominderung beitragen.
Diese Schlussfolgerung sollte kaum überraschen, da Private Markets eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien umfassen, die jeweils sensibel auf unterschiedliche Markt- und Wirtschaftsbedingungen sowie Ereignisse reagieren. Es ist zu erwarten, dass sie sich je nach Umfeld unterschiedlich entwickeln.
Neben der allgemeinen Risikoreduktion eines Portfolios wird die konkrete Zusammensetzung der verschiedenen Private-Markets-Komponenten in einem Portfolio voraussichtlich stark von den Anlagezielen des Portfolios bestimmt. Da diese Anlageklasse ’equity‘, ’credit‘, ‚Real Estate‘ und Infrastruktur usw. umfasst, hängt die Gewichtung der einzelnen Private-Market-Bereiche davon ab, ob der Investor Wachstum oder Einkommen priorisiert.
Neben den Diversifikationsvorteilen, die sich aus der Einbindung von ‚Private Assets‘ in ein ausgewogenes Portfolio ergeben, stellt sich die Frage: Können Private Market-Anlagen für Investoren noch aus anderen Gründen interessant sein? Erfreulicherweise lässt sich das durchaus bejahen – vor allem wegen des Zugangs zu Unternehmen und Wirtschaftszweigen, den sie bieten kann.
Je breiter das investierbare Universum ist, desto eher lassen sich unterschätzte Chancen erkennen und die Portfoliorendite steigern. In den USA sind 87 % der Unternehmen mit einem Umsatz von über 100 Mio. US-Dollar in Privatbesitz, also nicht an öffentlichen Börsen notiert (Capital IQ, 2023). Privates Kapital kann daher in sehr viele unterschiedliche Wirtschaftsbereiche und Firmen fließen – das Spektrum ist viel umfassender als im börsennotierten Bereich.
Darüber hinaus wird das Renditepotenzial der Private Markets durch wichtige globale Wachstumstrends unterstützt, bei denen die Anlageklasse eine Spitzenposition innehat. Diese mehrjährigen oder sogar jahrzehntelangen Wachstumstrends stimmen mit den längeren Anlagehorizonten vieler Portfolios überein – besonders von Pensionsfonds. Bei einigen globalen Schlüsseltrends werden die Private Markets wahrscheinlich die Hauptprofiteure sein.
Der Handlungsspielraum vieler Regierungen ist durch eine historisch beispiellose Staatsverschuldung eingeschränkt. Wichtige Infrastrukturinvestitionen müssen daher fast zwangsläufig an den privaten Sektor „ausgelagert“ werden. Privates Kapital wird dabei eine führende Rolle spielen. Auch die technologische Revolution wird sich beschleunigen, mit künstlicher Intelligenz als wichtigem Treiber. Doch auch die Digitalisierung der Gesellschaft wird weiter voranschreiten, und wahrscheinlich werden kleinere, innovative (und private) Unternehmen dabei eine Vorreiterrolle übernehmen.
Viele Investoren legen das Augenmerk darauf, mit Private Markets ihre Portfolios zu diversifizieren und das Gesamtrisiko zu senken. Doch die Anlageklasse kann auch die möglichen Renditen deutlich steigern – dieses Potenzial sollte man im Blick behalten. Private Equity, Sachwerte und andere Private Markets-Segmente sind von Natur aus langfristige Anlagen. Dies macht ihr potenziell verbessertes Renditeprofil für Pensionsfonds noch attraktiver. Zudem sind Private Markets-Anlagen nicht börsennotiert. Daher bringen sie weniger kurzfristige Volatilität – und damit die Notwendigkeit veränderter Marktbewertungen – in die Portfolios ein.
Trotz der nachgewiesenen Vorteile, die sich aus der Integration von Private Markets in ein ausgewogened Portfolio ergeben, gibt es einige besondere Merkmale dieser Anlageklasse, derer sich Investoren bewusst sein sollten:
Private Markets sind genau das, was der Name sagt – privat. Die Anlagen sind also nicht an öffentlichen Börsen notiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie vollständig illiquide sind und den Investoren eine mehrjährige Bindung abverlangen. In einigen Segmente der Private Markets sind die Anlagen sogar täglich handelbar. Für institutionelle Investoren spielen solche Liquiditätsüberlegungen eine Rolle: Sie müssen ihre Bestände liquidieren können, etwa um Verkaufsorders ausführen zu können. Dies lässt sich jedoch meist durch ein effizientes Portfoliomanagement steuern, das auf Portfolioebene eine ausreichende Liquidität sicherstellt – ob durch den Aktien-/Anleiheanteil oder die Zusammenstellung der Private Markets-Anlagen.
Für private und professionelle Anleger ist die Situation komplizierter, da diese Investoren weniger Handlungsmöglichkeiten haben. Das Aufkommen von ELTIFs und LTAFs in Europa und im Vereinigten Königreich ist zu begrüßen, da sie über periodische Handelsfenster eine Teilliquidität bieten.
Für große Pensionsfonds und andere institutionelle Investoren sind die Private Markets durch ihr rasantes Wachstum immer attraktiver geworden. Je umfangreicher das Universum ist, desto leichter lassen sich Anlagen in der erforderlichen Größenordnung tätigen.
Auch wenn institutionelle Investoren bislang die dominanten Akteure im Bereich Private Markets waren, ist dieses Feld für viele private Anleger – insbesondere vermögende Einzelpersonen – inzwischen ebenfalls interessant geworden Dennoch bleibt der Zugang für andere private und professionelle Investoren komplizierter und erfolgt meist über die bereits genannten ELTIFs/LTAFs Strukturen.
Investitionen in Private Markets erfordern ein höheres Maß an Due-Diligence als Anlagen an öffentlichen Märkten. Ein großer Teil der erforderlichen Finanzinformationen ist nicht öffentlich zugänglich, und oft ist eine enge und kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Managementteams der Anbieter unerlässlich. Potenzielle Investitionen zu recherchieren und zu analysieren kann daher komplex und zeitaufwendig sein.
Auch die Auswahl des richtigen Managers ist essenziell, da es große Leistungsunterschiede zwischen verschiedenen Managern gibt. Dies liegt unter anderem daran, dass es kaum Vergleichsbenchmarks gibt und einzelne Strategien sowie Anlagezeiträume stark variieren – was einen objektiveb Vergleich zusätzlich erschwert.
Private Markets, die inzwischen von vielen institutionellen Investoren breit angenommen werden, haben sich als disruptive Kraft erwiesen, die das herkömmliche 60/40 Modell zur Portfolio-Konstruktion infrage stellt. Für diese Entwicklung gibt es gute Gründe: Die Portfoliomanager sind beunruhigt darüber, dass die negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen jüngst zusammengebrochen ist. In dieser Situation haben sich die Private Markets als glaubwürdiger Retter erwiesen.
Ob aufgrund ihrer geringen Korrelation mit Aktien und Anleihen, ihrer Ausrichtung auf langfristige Anlagehorizonte oder ihrer Hebelwirkung auf globale Wachstumsthemen – Private Markets haben ihren Wert zweifellos bewiesen. Mit dem zunehmenden Fokus auf echte Portfoliodiversifikation und der fortschreitenden Bedeutung dieser Anlageklasse dürften bestimmte Private Markets zu einem immer wichtigeren und dauerhaften Bestandteil vieler Anlegerportfolios werden.
ELTIFs sind von Natur aus illiquide, da ihre Anlagen langfristig angelegt sind. Für Investoren ist dies eine Anlage mit geringer Liquidität. ELTIFs sind eventuell nicht für Investoren geeignet, die ein solch langfristiges und illiquides Engagement nicht eingehen möchten. Nur ein kleiner Teil des Portfolios sollte in einen ELTIF investiert werden.
¹ Schroders, Allocating to private markets, 2024.
² Morningstar, Pitchbook. März 2024.