Zurück in die Zukunft: Warum wir gute Aussichten für Anleihen sehen

8 min zu lesen 9 Mai 23

2022 war für Investoren und Fondsmanager ein turbulentes Jahr, und auch bei festverzinslichen Wertpapieren kam es zu einem starken Abverkauf. Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Nachwehen der Corona-Pandemie: Viele Fonds hatten Mühe, ihre Benchmarks zu erreichen, und oft schafften sie es nicht in den positiven Bereich. 
Anders bei Eva Sun-Wai von M&G, Fondsmanagerin der M&G Global Government Bond Strategie und der Global Macro Bond Strategie: Ihrem Team ist es gelungen, gegen den Strom zu schwimmen und trotzdem die Krise zu überstehen.  

Eva Sun-Wai beantwortet in diesem Beitrag Fragen und geht darauf ein, wie das gelungen ist, und sie blickt nach vorne: Wie und warum hat M&G seine Position genutzt, um die Chancen des letzten Jahres auszuschöpfen. Warum könnte ein nachlassender wirtschaftlicher Gegenwind festverzinsliche Anlagen begünstigen? Und warum könnten festverzinsliche Anlagen ihrer Meinung nach jetzt sehr attraktive Perspektiven für Investoren bieten?

Glauben Sie, dass 2023 ein gutes Jahr für festverzinsliche Anlagen wird? Könnten Anleihen sogar wieder hoch in der Gunst der Investoren stehen? 

Eva Sun-Wai: Ja, wir sehen die Aussichten für die Anlageklasse positiv. 2022 war natürlich ein brutales Jahr für festverzinsliche Wertpapiere. Die Zentralbanken haben nach der koordinierten lockeren Geldpolitik zur Pandemiezeit weltweit ihre Zinserhöhungszyklen eingeleitet. Es ist schwer abzuschätzen, wann diese Erhöhungszyklen zu Ende gehen. Die Ausgangslage für festverzinsliche Wertpapiere ist jetzt jedoch viel attraktiver. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die höheren Zinssätze auf die Realwirtschaft durchschlagen. Die Zentralbanken kämpfen weiterhin mit einer hohen und hartnäckigen Inflation. Doch die Sorgen um die Liquidität im Bankensektor und die Verschärfung der Kreditbedingungen zeigen Wirkung: Die Märkte gehen jetzt davon aus, dass es früher zu einem Kurswechsel in der Geldpolitik kommen wird.

Auch ein Blick auf die reinen Bewertungen lohnt sich. Es gibt praktisch keine Unternehmensanleihen mit Negativrenditen. Die Renditen von Investment-Grade-Titeln sind ähnlich hoch wie die von Aktien, wenn nicht sogar höher. Warum sollte man das Aktienrisiko eines Unternehmens eingehen, wenn man die gleiche Rendite in einem risikoärmeren Teil der Kapitalstruktur erzielen kann? Diese Renditen werden durch eine Kombination aus hohen risikofreien Basiszinssätzen und der Risikoprämie für Unternehmen (dem Spread) bestimmt. Das risikofreie Element bietet uns ein gewisses Maß an natürlicher Absicherung, selbst wenn sich die Spreads ausweiten sollten. Im Jahr 2022 ist diese Beziehung zusammengebrochen, doch jetzt sieht sie viel überzeugender aus.

Trotz der hohen und hartnäckigen Inflation sehen viele der Renditen auch auf inflationsbereinigter Basis (reale Renditen) attraktiv aus. Das gilt nicht nur in entwickelten Märkten, etwa bei US-Schatzanleihen (TIPS), sondern auch in einigen Schwellenländern. Viele der dortigen Zentralbanken haben ihre Zinserhöhungszyklen früher eingeleitet als ihre Pendants in den Industrieländern. In der Vergangenheit war das eher umgekehrt. Daher sind viele Zentralbanken der Schwellenländer bei der Inflationsbekämpfung der Zeit voraus gewesen. Folglich sind die realen Renditen lokaler Staatsanleihen in diesen Regionen – besonders in Lateinamerika – unserer Meinung nach attraktiver geworden.

2022 war ein außergewöhnliches Jahr. Der Einmarsch in die Ukraine verschlechterte die Stimmung für die Anlageklasse der Schwellenländeranleihen – die Bewertungen sanken. Leider rechnen wir nicht unbedingt mit einer kurzfristigen Lösung des Konflikts. Doch sorgen diese Bewertungen nun für eine etwas bessere Kompensation für die politischen, geopolitischen und globalen makroökonomischen Risiken.

Die Bewertungen von festverzinslichen Wertpapieren haben sich durchweg verbessert. Selbst Cash-ähnliche Produkte haben als Anlageklasse ein Comeback erlebt. Das Timing ist zwar schwierig, doch im Vergleich zu 2022 sehen die Bewertungen viel attraktiver aus. Das eröffnet interessante Möglichkeiten für Anleihefondsmanager.

Sehen Sie derzeit ein großes Risiko bei den Bewertungen, auch im Vergleich zur Lage vor einem Jahr? 

Eva Sun-Wai: „Die aktuellen Bewertungsniveaus bieten ein viel höheres Schutzniveau, selbst bei vorsichtiger Einschätzung der Duration und des Verlaufs der Zinserhöhungszyklen. Sogar kurzlaufende US-Staatsanleihen bieten 4-5 % Zinsen. Zu Beginn dieses Jahres haben 6-monatige US-Schuldverschreibungen die 5 %-Marke überschritten und die Gewinnrendite des S&P 500 übertroffen. Natürlich ist das hinsichtlich der Duration nicht ganz stimmig. Doch da diese Titel traditionell als risikofreie Anlage angesehen werden, scheint man auch für defensive Portfolios derzeit recht gut entschädigt zu werden.

Auf der anderen Seite beobachten wir eine verstärkte Emission von Unternehmensanleihen. Die Ausfallraten sind niedrig und die Fundamentaldaten der Unternehmen recht stark. Insgesamt sind die Renditen von Unternehmensanleihen immer noch attraktiv. Im Bankensektor und in anderen zyklischen Bereichen sehen wir jedoch eine zunehmende Nervosität, da sich die Spreads nach der Rallye im vierten Quartal 2022 ausgeweitet haben.

Ich hatte es vorhin schon angesprochen: Ganz grundlegend gesagt setzen sich Unternehmensanleihen aus dem risikofreien Zinssatz und einer Risikoprämie für Unternehmen zusammen. Der Unterschied zur Pandemiezeit ist, dass der Renditeanstieg damals fast ausschließlich auf die Kreditaufschläge zurückging. Warum? Weil die Zentralbanken die Zinsen gesenkt haben, um die Wirtschaft zu stützen. Der aktuelle Anstieg ist viel stärker auf den zugrundeliegenden risikofreien Zinssatz zurückzuführen, da sich die Spreads gegen Ende des letzten Jahres erholten.

Natürlich bleibt die Frage, ob es zu einer Rezession kommen wird oder nicht. Im Allgemeinen scheinen Nicht-Finanzunternehmen mit Investment-Grade-Rating jedoch relativ gut positioniert zu sein – besonders in nicht-zyklischen Sektoren. Meiner Meinung nach werden wir eine harte Landung erleben, gerade auch in den USA. Ich denke, die Fed muss eine Rezession tolerieren, um die Inflation näher an die Zielvorgaben heranzuführen. Denn der Preisauftrieb ist hartnäckig, und die Arbeitsmärkte sind angespannt. Vor diesem Hintergrund ziehe ich Staatsanleihen den Unternehmensanleihen vor. Potenziale sehe ich jedoch auch bei Unternehmensanleihen, die den makroökonomischen Sturm erfolgreich überstehen.

Im letzten Jahr haben der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen das Narrativ und die globale Geopolitik beherrscht. Meiner Meinung nach werden divergierende Geldpolitiken in diesem Jahr stärker im Fokus stehen. Es geht also mehr um spezifische Risiken und Chancen, doch die Anlageklasse sieht sicherlich attraktiv aus.

Sie wirken jedenfalls sehr optimistisch. Wo sehen Sie derzeit die größten Chancen bei festverzinslichen Wertpapieren? 

Eva Sun-Wai: Im Großen und Ganzen hat man derzeit einen guten Puffer. Wir bevorzugen besonders das kurze Ende der Zinsstrukturkurven der Staatsanleihen. Die Renditekurven von US-Treasuries, britischen Staatsanleihen und deutschen Bundesanleihen ist invers. Daher ist es sinnvoll, sich wieder neutraler zu positionieren oder bei Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten auf einen Anstieg der Kurve zu setzen. Wir schätzen sowohl Titel mit kürzeren Laufzeiten – wegen der Renditeniveaus – als auch Titel mit längeren Laufzeiten, wegen der höheren Konvexität am langen Ende.

Wenn wir einen Kurswechsel der Zentralbanken erleben, werden die Bewertungen entlang der ganzen Kurve steigen. In diesem Fall ist es attraktiv, an beidem teilzuhaben: dem Anstieg am kurzen Ende und der Konvexität am langen Ende. Von den G4-Staaten (Deutschland, Brasilien, Indien und Japan) sind wir von der japanischen Duration nicht überzeugt: Die realen Renditen sind niedrig, und die Geldpolitik der japanischen Zentralbank (BoJ) ist weiterhin restriktiv. Die Anpassung ihrer Zinskurvenkontrolle im Dezember führte zu einem leichten Abverkauf. Angesichts der Bewertungen und des Potenzials für eine weitere Kursverschärfung der BoJ bleiben wir jedoch stark untergewichtet. Angesichts des extremen Ausverkaufs im letzten Jahr finden wir den japanischen Yen jedoch als Währungsstrategie interessant. Dabei halten wir nicht nur die Bewertungen für attraktiv: Die Währung würde auch von einer weiteren Kursverschärfung der BoJ und von einer ‚harten Landung‘ in anderen Industrieländern profitieren, da sie als sicherer Hafen gilt.

Die Märkte sind zukunftsorientiert. Wenn sie in einem Land Zinserhöhungen erwarten, beobachten wir, dass die Währung attraktiver wird – aufgrund der Erwartung höherer Arbitragegewinne. Zum Beispiel halten wir derzeit die mexikanische Duration für interessant: Die lokalen Realrenditen finden wir attraktiv, die Währung weniger. Diese können wir mit Termingeschäften absichern, da sie jetzt als teuer eingestuft wird und den Zinserhöhungszyklus der Zentralbank weitgehend eingepreist hat.

Auf der anderen Seite mögen wir einige asiatische Devisen angesichts der entgegengesetzten Dynamik. Die Region bleibt im Allgemeinen hinter den Wachstumszyklen zurück, auch wenn sie besser vom Inflationsdruck abgeschirmt ist als einige andere Regionen. Die Staaten haben von der Wiedereröffnung Chinas profitiert und werden dies auch weiterhin tun.

Auch inflationsgebundene Anleihen halten wir für attraktiv. Langfristige US-Schatzanleihen rentieren derzeit auf realer Basis mit 1,5 %. Angesichts der Datenlage zu einer hartnäckigen Inflation sehen die Breakeven-Werte zu niedrig aus.

Warum ist M&G Ihrer Meinung nach gut positioniert, um interessante Möglichkeiten zu finden?  

Eva Sun-Wai: Ganz einfach: M&G ist ein Marktführer bei festverzinslichen Wertpapieren. Unser Credit-Research-Team ist eines der größten in Europa und deckt Unternehmenstitel, Finanzwerte und Asset-Backed-Securities ab. Das ist von entscheidender Bedeutung für unsere fundamentale Titelauswahl. Außerdem verfügen wir über ein erfahrenes Handelsteam, was für die erfolgreiche Ausführung von Geschäften unerlässlich ist. Investoren können auf eine breite Palette festverzinslicher Produkte zugreifen: von strategischen flexiblen Fonds bis hin zu ESG-Fonds im Hochzinsbereich. All dies zusammengenommen bedeutet: Unser Team verfügt über die Ressourcen, um unsere Einschätzungen zu Markt- und Wirtschaftsentwicklungen sehr effizient umzusetzen.

Als Fondsmanager sind wir in unseren Entscheidungen völlig autonom. Wir profitieren jedoch von hoher Transparenz, offenen Diskussionen und dem Austausch von Ideen. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es unter unseren Fondsmanagern viele verschiedene Sichtweisen. Die vielfältigen Sichtweisen, der Ideenreichtum und die Freude an der Zusammenarbeit helfen uns bei einer effizienten Vermögensallokation und Aktienauswahl. Im Wholesale-Fondsmanagement-Team von M&G sind 17 Fondsmanager sowie Anlagespezialisten und Assistenten aktiv.

Aufgrund dieser Stärke und Tiefe wage ich die Behauptung, dass M&G sehr gut positioniert ist. Dies wird auch durch eine solide, langfristige Erfolgsbilanz untermauert. Tatsächlich hat M&G im Jahr 1931 den ersten Investmentfonds des Vereinigten Königreichs aufgelegt. Auch heute ist das Team spürbar begeistert von den Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere – und das nicht nur, weil wir Fondsmanager für festverzinsliche Wertpapiere sind. Wir sind begeistert von der Kategorie, und wir begeistern uns für die derzeitigen Aussichten.

2022 war für die Anlageklasse ein sehr schwieriges Jahr. Dennoch haben wir im Vergleich zu unseren Benchmarks und Mitbewerbern eine starke Wertentwicklung erzielt. Viele unserer festverzinslichen Fonds übertrafen ihre jeweiligen Benchmarks um 2-5 %. Ich hoffe, dass dies den Beratern und ihren Kunden eines deutlich macht: Wir können nicht nur eine Outperformance in starken Marktphasen anstreben, sondern auch einen Schutz in schwachen Phasen bieten.

Aus Fondssicht decken wir die meisten Bereiche der festverzinslichen Wertpapiere ab. Was auch immer Berater und Portfoliomanager suchen: Wir sind gut positioniert, um eine effektive Lösung zu bieten.

Was würden Sie Investoren sagen, die derzeit über die Festzinsallokation nachdenken? 

Eva Sun-Wai: Meiner Meinung nach sollten festverzinsliche Anlagen derzeit auf jeden Fall einen Platz in den Portfolios haben. Das gilt besonders im Vergleich zu anderen Anlageklassen, da das Rendite-Risiko-Verhältnis mit Blick auf die Kapitalstruktur sehr überzeugend aussieht. M&G halte ich für sehr gut positioniert, um attraktive Anlagemöglichkeiten über Anlageklassen und Regionen hinweg zu finden. Wir bieten eine umfangreiche Fondspalette mit einer starken Erfolgsbilanz.

Das Jahr 2022 hat für festverzinsliche Wertpapiere tiefe Spuren hinterlassen. Für Großbritannien mit seiner Krise der Pensionsfonds gilt das in besonderem Maße. Dennoch halte ich es für wichtig, auch künftig bei festverzinslichen Wertpapieren auf die Diversifikation zu achten – und zugleich anzuerkennen, dass die Bewertungen zu den günstigsten seit über einem Jahrzehnt gehören. Und in unserem Bereich können sich die Märkte sehr schnell bewegen.

Der Wert der Vermögenswerte des Fonds kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.

Über Eva Sun-Wai 

Eva Sun-Wai ist seit Januar 2021 leitende Fondsmanagerin der Global Government Bond-Strategie und stellvertretende Fondsmanagerin der Global Macro Bond-Strategie. Seit September 2019 war sie als Junior-Makro-Fondsmanagerin im Wholesale Fixed Income Team tätig. Dort hat sie makroökonomische Handelsideen in den Strategien Global Macro Bond und Absolute Return Bond implementiert. Evan Sun-Wai kam 2018 im Rahmen des Investment Graduate Scheme zu M&G. Sie durchlief mehrere Stationen in Geschäftsbereichen wie Emerging Market Debt, Corporate Credit Research, Immobilien und langfristige Anlagestrategien. Bevor sie zu M&G kam, arbeitete sie bei State Street Global Advisors an passiven Produkten und ETF-Strategien. Eva Sun-Wai hat einen BSc (Hons) in Wirtschaftswissenschaften von der University of Birmingham, hat die IMC- und Financial Services Level 6 Qualifikationen erworben und ist CFA-Charterholder. 

von Eva Sun-Wai

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