Nachhaltiges Investieren
7 min zu lesen 15 Aug. 24
Passive Anlagevehikel setzen in der Regel beim Gesamtportfolio an, wenn es um die Anpassung an das Pariser Abkommen geht. Typischerweise nutzen sie eine im Voraus festgelegte – und an Kennzahlen orientierte – jährliche Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG) auf Portfolioebene: beispielsweise um 7 %, wie es die an Paris ausgerichteten Benchmarks der EU fordern.1 Dies wird erreicht, indem Allokationsentscheidungen auf der Grundlage der CO2-Intensität der Unternehmen getroffen werden.
Wendet ein nachhaltiger Fonds auf Portfolioebene einen Rahmen für die CO2-Intensität an, könnte er einfach in eine Auswahl von Unternehmen mit geringen Emissionen investieren – zum Beispiel in Softwarefirmen. Zudem könnte er die THG-Emissionen des Fonds dadurch verringern, dass er die emissionsintensivsten Positionen abbaut. So würde ein passiver Ansatz seine Nachhaltigkeitsziele auf dem Papier erreichen. Doch leistet er damit tatsächlich einen Beitrag zu den realen THG-Emissionsreduzierungen, die zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlich sind? Diese Frage kann mit Recht gestellt werden.
Ein Aspekt ist dabei wichtig: Dekarbonisierung ist kein linearer Prozess. Bei Unternehmen können die THG-Emissionen kurzfristig schwanken, etwa durch Verschiebungen im Umsatzmix, Probleme in der Lieferkette oder unerwartete externe Ereignisse. Wenn Firmen in ihre Dekarbonisierung investieren, sind die Ergebnisse meist nicht sofort sichtbar; möglicherweise zeigen sie sich erst nach mehreren Jahren. Falls die THG-Emissionen in der Zwischenzeit steigen, wird das Unternehmen aus einem passiven Vehikel vielleicht aussortiert, bevor die Investition rentabel ist.
Die Emissionen eines Unternehmens mit seinem Gesamtwert zu vergleichen ist eine gängige Methode, mit der passive Fonds die Übereinstimmung mit dem Pariser Abkommen bewerten. Der Gesamtwert wird in der Regel berechnet, indem die Gesamtemissionen des Unternehmens durch seinen Enterprise Value Including Cash (EVIC) geteilt werden: also durch die Summe von Marktkapitalisierung, Gesamtverschuldung und Barmittel/Bargeldäquivalente.
Die CO2-Intensität auf diese Weise zu messen kann für die Investoren zu Problemen führen. Schwankungen der Aktienkurse können sich auf den Nenner auswirken und die CO2-Intensität verzerren, ohne dass sich die absoluten THG-Emissionen ändern. Ob ein Unternehmen in das Portfolio aufgenommen wird, könnte daher eher von seinem Marktwert als von seinen Anstrengungen zur Dekarbonisierung beeinflusst werden.
So könnte beispielsweise der Wert eines großen Technologieunternehmens aufgrund eines verbesserten Sentiments im KI-Bereich erheblich steigen, ohne dass sich sein CO2-Fußabdruck verändert. Die EVIC-Methode würde dann einen deutlichen Rückgang der CO2-Intensität „messen“. Das Unternehmen wäre nicht unbedingt nachhaltiger geworden, aber die an einem CO2-Budget orientierten Investoren könnten ihre Positionen aufgrund einer „verbesserten“ CO2-Intensität erhöhen – einfach als Folge einer gestiegenen Marktkapitalisierung. In großem Maßstab gesehen kann dies zum Risiko einer schlechten Kapitalallokation führen.
Wenn Investoren die Dekarbonisierung fördern wollen, besteht unserer Meinung nach eine wirksame Methode darin, eng mit den Unternehmen aus den Portfolios zusammenzuarbeiten: beispielsweise bei der Festlegung von Zielen und der Entwicklung einer Strategie. Die Verwalter passiver Fonds nutzen ihre Stewardship-Privilegien nicht unbedingt auf diese Weise. Damit verpassen sie die Möglichkeit, positive Veränderungen zu fördern und einen zusätzlichen Nutzen für die Investoren zu erzielen („Additionalität“).
Unserer Ansicht nach führt dies zu einem kurzfristigen Ansatz beim Portfoliomanagement – was im Widerspruch dazu steht, dass die Anpassung an das Pariser Abkommen ein langfristiges Unterfangen ist. Dem IPCC zufolge müssen die globalen Emissionen bis 2030 um 43 % sinken (im Vergleich zum Basisjahr 2019); bis 2050 muss das Netto-Null-Ziel erreicht sein.2 Bei einem so langen Zeithorizont reicht es nicht aus, die THG-Emissionen einfach kurzfristig zu reduzieren. Wir glauben, dass Unternehmen – und Investoren – zu jahrzehntelangen Aktivitäten bereit und fähig sein müssen, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.
Die Ausrichtung eines Portfolios auf das Pariser Abkommen lässt sich unserer Meinung nach nicht allein an der CO2-Intensität oder anderen vorgegebenen Kennzahlen messen. Investoren müssen einbeziehen, wie sie real zu den absoluten THG-Emissionssenkungen beitragen, die zur Begrenzung des Klimawandels erforderlich sind.
Die Portfoliounternehmen in den „Paris Aligned“-Strategien von M&G Investments leisten in der Regel einen Beitrag zum Pariser Abkommen, indem sie ihr eigenes Geschäft dekarbonisieren. Einige bieten auch Klimalösungen an, mit denen andere Firmen ihre Dekarbonisierung voranbringen können. Letztere würden in einigen Fällen aufgrund ihrer hohen eigenen Emissionen aus passiven Portfolios ausgeschlossen – obwohl sie eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung spielen.
Das Beispiel der Weir Group zeigt einige der Nachteile passiver „Paris Aligned“-Anlagestrategien und die Anforderungen eines aktiven Ansatzes.
Als Hersteller von Bergbauausrüstung ist die Weir Group nicht unbedingt in einem nachhaltigen Geschäftsfeld tätig. Angesichts ihrer beträchtlichen THG-Emissionen ist sie wahrscheinlich kein Kandidat für ein passives „Paris Aligned“-Portfolio. Die Weir Group verfolgt einen konservativen Ansatz bei der Offenlegung von THG-Emissionen. Die gemeldeten Scope-3-THG-Emissionen – also die aus ihrer Wertschöpfungskette stammenden – berücksichtigen auch alle THG-Emissionen ihrer Kunden. Die Weir Group engagiert sich stark für die Dekarbonisierung, indem sie sich ein wissenschaftlich fundiertes Ziel für die Reduzierung der THG-Emissionen gesetzt hat. Zudem hat sie eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die sowohl ihre eigenen THG-Emissionen als auch die ihrer Kunden einbezieht.
Die Rohstoffgewinnung ist ein sehr energieintensiver Prozess. Weir konzentriert sich auf die Entwicklung effizienter Maschinen, um den Energieverbrauch im Bergbau und die damit verbundenen THG-Emissionen zu reduzieren. Die Produkte der Weir Group helfen den Kunden also, in großem Umfang Treibhausgasemissionen zu vermeiden.
So verbrauchen beispielsweise die Enduron®-Hochdruckmahlwalzen von Weir bis zu 40 % weniger Energie als herkömmliche Mahlkreisläufe; zudem benötigen sie keine Mahlkörper. Insgesamt spart dies bis zu 200.000 Tonnen CO₂ pro Jahr, wenn man alle installierten Maschinen des Unternehmens berücksichtigt. Ein weiteres Beispiel ist das Nemisys® N90-Zahnsystem, das den CO₂-Ausstoß um 44 % reduziert: zum einen aufgrund der längeren Lebensdauer – weniger Verschleiß und weniger Ersatzteile –, zum anderen aufgrund einer höheren Effizienz.
Wir waren in den letzten Jahren mehrfach mit der Weir Group in Kontakt. In den Jahren 2020 und 2021 haben wir den Vorstandsvorsitzenden und den Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung mehrfach getroffen. Wir wollten verstehen, wie sich das Unternehmen auf eine CO2-neutrale Wirtschaft ausrichten, technologische Innovationen in seiner Lieferkette fördern und die Einführung nachhaltiger Produkte durch seine Kunden voranbringen kann. Angesichts des beträchtlichen Scope-3-Fußabdrucks von Weir unterstützten wir den gründlichen Ansatz des Managements, einen strukturierten Weg zum Netto-Null-Ziel aufzuzeigen. Wir haben auch mit dem Management zusammengearbeitet, damit sich die ehrgeizigen ESG-Ziele von Weir in der Vergütungspolitik widerspiegeln, was nun auch der Fall ist.
Quelle: Jahresbericht 2023 der Weir Group und M&G Research.
Wie ist ein Unternehmen an das Pariser Abkommen angepasst? Eine Bewertung dieser Frage erfordert eine tiefgreifende, ganzheitliche Analyse in Bereichen wie Unternehmensführung, Strategie und Zielformulierung sowie eine laufende Überwachung der Fortschritte. Bei passiven Ansätzen können Kriterien wie die Offenlegung von THG-Emissionen und Zielvorgaben überprüft werden. Fragen zu den Absichten des Unternehmens dagegen lassen sich dabei nicht umfassend bewerten – wie etwa die Dekarbonisierungsstrategie oder die Kopplung der Vergütung von Führungskräften an Nachhaltigkeitserfolge. Die Dekarbonisierung ist jedoch eine langfristige Herausforderung; darum halten wir gerade solche Fragen für entscheidende Komponenten der Ausrichtung eines Unternehmens.
Im Rahmen der globalen und europäischen „Paris Aligned“-Strategien von M&G erstellt unser Analystenteam Emissionsberichte zu den Unternehmen aus den Portfolios. Sie analysieren beispielsweise den CO2-Fußabdruck und den „Handabdruck“, also die Aktivitäten zum Klimaschutz; die Ziele für die Reduzierung von THG-Emissionen; die Absichten und Verantwortlichkeiten des Unternehmens; die jüngsten Fortschritte; und die Bereiche für weiteres Engagement.
Außerdem bewerten wir die Unternehmen in unseren Portfolios jedes Jahr mit einem Ampelsystem. Die Ergebnisse veröffentlichen wir in einem jährlichen Emissionsbericht der Fonds. Dabei bewerten wir die Fortschritte der Unternehmen (langfristig und im Jahresvergleich) beispielsweise in folgenden Bereichen:
Unserer Meinung nach ist ein regelmäßiger Dialog mit den Unternehmen ein integraler Bestandteil jedes Investitionsprozess, der den Anspruch erhebt, „Paris Aligned“ zu sein. Bei einem breit gefächerten Portfolio mit Hunderten von Unternehmen wäre dies kaum sinnvoll zu bewerkstelligen. Bei einem konzentrierteren Portfolio dagegen kann das Engagement auf einzelne Unternehmen zugeschnitten werden. So lassen sich maximale Wirkungen anstreben – unabhängig davon, wie weit eine Firma auf ihrem Weg zur Dekarbonisierung fortgeschritten ist.
Das Engagement ist bei der globalen und der europäischen „Paris Aligned“-Strategie von M&G ein wesentlicher Prozessbestandteil. Er geht Hand in Hand mit unserem langfristigen Ansatz: Wir streben eine Haltedauer von rund zehn Jahren an. So können wir eng mit den Portfoliounternehmen zusammenarbeiten, um ihre Klimabemühungen über längere Zeiträume hinweg zu fördern und zu unterstützen.
Unser Engagement kann sich auf unterschiedliche Themen beziehen: beispielsweise umfassende Angaben zu den Treibhausgasemissionen machen; wissenschaftlich fundierte Ziele für die Emissionsreduzierung formulieren; eine Strategie für die Dekarbonisierung entwickeln; die Vergütung von Führungskräften an Meilensteine dieser Strategie knüpfen; und die laufenden Fortschritte überwachen.
Das wachsende Interesse der Investoren an der Bekämpfung des Klimawandels ist ohne Zweifel ein positiver Trend. Die Beliebtheit passiver Anlageinstrumente könnte jedoch den Weg zu idealen Ergebnissen erschweren: Solche Instrumente tragen unserer Meinung nach weniger effektiv zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens und zu einem realen Wandel bei. Die Anpassung an das Pariser Abkommen erfordert nach unserer Überzeugung einen ganzheitlichen und unternehmensspezifischen Ansatz. Dieser sollte auf gründlichem Research beruhen, sich auf Ergebnisse in der realen Welt konzentrieren und einen regelmäßigen Dialog mit den Firmen aus den Portfolios umfassen.
Die bereitgestellten Informationen sind nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers zu verstehen.
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