Im Gespräch mit Fabiana Fedeli

4 min zu lesen 9 Okt. 24

Financial News hat Fabiana Fedeli, CIO für Aktien, Multi Asset und Nachhaltigkeit bei M&G Investments im Jahr 2022 zu einer der 100 einflussreichsten Frauen im Finanzwesen gekürt. Mit Antonia Oprita spricht sie über ihre Leidenschaft für die Märkte und Daten.

Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften kommen Ihnen im Investment Management am meisten zugute?

Ich bin neugierig und wissensdurstig. Investieren ist für mich Beruf und Hobby zugleich: Auch in meiner Freizeit informiere ich mich gerne über Märkte, Wirtschaft und Geopolitik. Ich bin ein Optimist, der für das Schlimmste vorbereitet ist. Schon in meiner Zeit als Fondsmanagerin habe ich immer darüber nachgedacht, was bei einer Investition schief gehen könnte. Auf dieser Grundlage habe ich dann nach einem Plan A, B und C gesucht, um mich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Natürlich können wir nicht in die Zukunft schauen, und natürlich können wir uns nicht auf alles einstellen. Eine gründliche Vorbereitung hat aber dazu beigetragen, diszipliniert zu bleiben und emotionale Reaktionen und fehlerhafte Verhaltensmuster zu begrenzen.

Was halten Sie für die wichtigsten Eigenschaften in Ihrem Beruf, ganz allgemein und speziell für eine CIO? Und welche Informationsquellen bevorzugen Sie?

Wichtig sind Respekt, Rücksichtnahme auf andere Menschen und eine gute Portion Demut. Völlig fehl am Platz sind dagegen Egozentrik und der Glaube an die eigene Unfehlbarkeit – also Eigenschaften, die leider immer noch viele Menschen in unserer Branche kennzeichnen. Man muss sich selbst eingestehen können, dass man nicht immer die besten Ideen oder die richtigen Antworten hat. Man muss anderen zuhören, besonders den Teammitgliedern. Entscheidend ist außerdem eine große mentale Belastbarkeit, am besten so viel, dass sie für einen selbst und für das ganze Team reicht.

Märkte und Daten sind meine Leidenschaft. An der Universität habe ich Ökonometrie studiert, daher schätze ich aussagekräftige Datenreihen und Charts. Ich greife auf viele der in unserer Branche gängigen Informationsquellen zurück: Bloomberg, Barron's, The Economist, die Financsial Times. Sehr wichtig ist mir der Austausch mit meinen Teammitgliedern, mit Spezialisten für andere Anlageklassen und mit Kunden. Aus diesen Gesprächen nehme ich sehr viel mit. Ich habe in vielen Ländern gearbeitet, und daraus ist ein großes Netzwerk mit Kollegen aus Europa, den USA, Asien und Afrika entstanden. Wir sprechen darüber, was wir auf den Märkten beobachten, und wir geben einander offenes Feedback. Ein breites Spektrum an Sichtweisen hilft, das Marktgeschehen facettenreicher und differenzierter zu beurteilen.

Welches Marktsignal oder welchen Indikator beobachten Sie am meisten, und was zeigt er derzeit an?

Welche Indikatoren ich besonders im Auge behalte, hängt auch von der Marktlage ab, daher ändert sich das im Laufe der Zeit. Gegenwärtig schaue ich genau auf wichtige Inflationsindikatoren, beispielsweise den Verbraucherpreisindex (CPI), den Erzeugerpreisindex (PPI), die Lohnentwicklung und speziell deren Teilkomponenten. Die Inflation hat in den meisten Ländern ihre Höchststände hinter sich gelassen, doch auf das Zielniveau der US-Notenbank (Fed), der Bank of England (BoE) und der Europäischen Zentralbank (EZB) ist sie noch nicht gesunken. Es ist sehr gut möglich, dass die letzte Etappe auf diesem Weg länger dauert und weniger geradlinig verläuft, als es der Markt erwartet hat. Die aktuellen Daten zu Inflation und Wirtschaftstätigkeit deuten jedoch darauf hin, dass die Fed, die Bank of England und die EZB noch im Jahr 2024 die Zinsen erstmals senken werden. Jede Volatilität an den Renten- und Aktienmärkten, die aus einem kurvenreicheren Weg zu Zinssenkungen entstehen, kann für aktive Anleger wie uns sehr chancenreich sein.

Beschreiben Sie doch bitte einmal, wie Sie gemeinsam mit Ihrem Team Anlageideen entwickeln.

In den letzten Jahren haben wir themenübergreifende Kompetenzzentren für Aktien, Multi Asset und Nachhaltigkeit geschaffen, in denen Wissen und Ideen in der gesamten Investmentabteilung ausgetauscht werden. Sie dienen als Inspiration für neue, differenzierte Anlagemöglichkeiten. Dieser dynamische und lebendige Research- und Kompetenzpool ist sehr wervoll für meine Tätigkeit im Anlageausschuss unserer Crossover-Strategie. Im Rahmen der Strategie investieren wir in Unternehmen in privater Hand, begleiten sie auf dem Weg an die Börse und beteiligen uns auch danach an ihnen. Mit dem Multi Asset-Team besprechen wir zudem bei wöchentlichen Treffen die Marktentwicklungen und makroökonomische Hintergründe. Dabei scheuen wir uns nicht, unsere Einschätzungen gegenseitig zu hinterfragen – natürlich in respektvoller Art und Weise. Die Ergebnisse fassen wir in einem monatlichen Bericht zusammen, der mittlerweile auch mit anderen Teams außerhalb des Multi Asset-Bereichs geteilt wird.

Wir führen auch regelmäßig Portfoliobesprechungen mit allen Managern unserer Aktien-Abteilung durch. Dabei diskutieren wir Ideen und entdecken oft ähnliche Trends und Chancen auf der anderen Seite des Globus.

In unserer vernetzten Welt ist ein fundiertes Research ein echter Vorteil im Investmentprozess. Mir ist es wichtig sicherzustellen, dass meine Teams über alle nötigen Instrumente verfügen, um unseren Kunden Alpha liefern zu können.

Wie würden Sie Ihren heutigen Führungsstil beschreiben, und wie haben Sie ihn entwickelt? Wie haben Sie Ihre aktuellen Teams aufgebaut, und wie fördern Sie Talente?

Mein Team kann meinen Führungsstil sicherlich viel besser beschreiben als ich. Ich hoffe, ich bin fair und transparent und mein Team weiß, dass ich hinter ihnen stehe. Anders als früher manage ich heute keine Aktienportfolios mehr; ich bin aber im Anlageausschuss für unsere Crossover-Strategie aktiv und treffe mich mit meinen Teammitgliedern, um die Portfolios zu besprechen. Ich kenne die Herausforderungen für meine Teammitglieder aus eigener Erfahrung und hoffe, dass ich sie dadurch besser unterstützen kann.

Eines möchte ich betonen: Ich glaube fest an die Kraft von Teams und daran, dass das Ganze größer sein kann als die Summe seiner Teile. Keiner kann zu 100 % perfekt in allem sein, und das sollte man auch von niemandem erwarten. Manche können eine Sache zu 70 % und eine andere zu 120 %. Der Schlüssel liegt darin, die individuellen Stärken zu kombinieren und so ein leistungsfähigeres, besser vernetztes und stabileres Team zu schaffen. Ich glaube auch, dass manche Persönlichkeiten die Dynamik eines Teams beeinträchtigen. Man kann den besten Torschützen der Welt haben und trotzdem die Meisterschaft verlieren, wenn alle anderen nicht ihr Bestes geben können, weil ihnen dessen egozentrische Persönlichkeit vielleicht die Energie raubt. In solchen Fällen ist die Entscheidung für mich klar, denn diese Person gehört schlicht und einfach nicht ins Team.

Was beunruhigt Sie derzeit auf den Märkten und der Weltwirtschaft am meisten, und was stimmt Sie besonders optimistisch? Welches Thema könnte die nächsten Monate dominieren?

Ich bin verantwortlich für Investitionen, und daher mache ich mir natürlich über vieles Gedanken. Was könnte unsere Anlageentscheidungen negativ beeinflussen? Nach Antworten auf diese Frage zu suchen ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir haben ständig ein Auge auf die „bekannten Unbekannten“, und wir versuchen herauszufinden, welche „unbekannten Unbekannten“ auftauchen könnten.

Gegenwärtig sind die Geopolitik und der aufkommende Extremismus und Populismus zwei potenzielle Volatilitätsquellen. Man sollte jedoch im Auge behalten, dass nicht alle geopolitischen Umwälzungen zwangsläufig schädlich für die Märkte sind. Negativ sind sie nur dann, wenn sie die für den Markt relevante Wirtschaft beeinträchtigen. Denken Sie beispielsweise an den aktuellen Konflikt im Nahen Osten: Obwohl er uns alle zutiefst berührt, waren seine Auswirkungen auf die globalen Märkte begrenzt. Beträfe der Konflikt wichtige ölproduzierende Länder, sähe das anders aus, weil er dann die Energiepreise in die Höhe treiben würde.

Als Privatperson mache ich mir Sorgen um den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt. Als Investorin halte ich es für wichtig, die damit zusammenhängenden Risiken zu verstehen und sie bei Anlageentscheidungen zu berücksichtigen.

Sie haben auch gefragt, was mich am hoffungsvollsten stimmt. Große Hoffnung für die Zukunft gibt mir das wachsende Bewusstsein, wie wichtig Vielfalt und Diversität sind. Das liegt mir sehr am Herzen – nicht nur weil ich eine Frau bin, die vor 25 Jahren in der Finanzbranche angefangen hat, sondern auch, weil ich in vielen Ländern mit Kolleginnen und Kollegen mit verschiedensten kulturellen Hintergründen zusammengearbeitet habe. Begeisternd finde ich zudem die unglaublichen Möglichkeiten, die uns die generative künstliche Intelligenz eröffnen kann. Wobei wir darauf achten müssen, dass diese Möglichkeiten klug und für gute Zwecke genutzt werden.

Was inspiriert sie?

Die menschliche Widerstandsfähigkeit bei widrigen Umständen hat mich schon immer inspiriert. Große Hochachtung habe ich auch vor Menschen, die bereit sind, für ihre Überzeugungen und ihre Hoffnung auf eine bessere Welt zu kämpfen und zu sterben. Wir sollten nicht davor zurückschrecken, unsere Meinung zu sagen, auch wenn sie uns in eine unangenehme Situation bringt. Selbstverständlich sollten wir dabei anderen gegenüber stets respektvoll bleiben. Entscheidend ist die Art und Weise, wie wir unsere Meinungen vorbringen. 

Was ist Ihr Lieblingsbuch?

Ich habe viele „Lieblingsbücher“, die zu verschiedenen Zeiten meines Lebens und meiner Karriere auf unterschiedliche Weise wichtig für mich waren. An meine Anfänge im Asset Management erinnert mich beispielsweise Reminiszenzen eines Börsianers, das wohl auf dem Leben des Aktienhändlers Jesse Livermore im frühen 20. Jahrhundert beruht. Das Buch habe ich geschenkt bekommen, als ich von meiner Position als Sell-Side-Analystin zu einem Hedgefonds wechselte. Es ist eine gute Erinnerung an die Macht der Geduld, die Bedeutung des richtigen Timings und das Privileg, als Investor täglich dazulernen zu können. Es hilft dabei, sich klarzumachen, dass man ein Vermögen machen und dann leicht verlieren kann. Es ist wichtig, sich des Abwärtsrisikos bewusst zu sein, denn unsere Kunden vertrauen uns ihr Vermögen an. 

Haben Sie ein Hobby außerhalb der Arbeit?

Ich liebe Sport im Freien. Im Sommer gehe ich schwimmen, mache lange Spaziergänge und Wanderungen, und im Winter fahre ich Ski. Das Skifahren lenkt mich am besten von den Märkten ab, weil ich mich dabei konzentrieren muss, um mich nicht zu verletzen. Außerdem ist es eine Leidenschaft, die ich mit meinem Mann teile, und wir fahren gerne zusammen Ski. Schwimmen ist da schon eher mein Sport als der meines Mannes, vor allem wenn es über längere Strecken geht. Es kommt häufig vor, dass ich an der Küste entlangschwimme, während mein Mann neben mir am Strand spazieren geht. Für andere Leute sieht das sicher manchmal lustig aus!

Der Wert eines Investments kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass Preise steigen und fallen können, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.