Im Gespräch mit Andrew Chorlton

9 min zu lesen 10 Apr. 25

Sie sind seit kurzem CIO für Anleihen bei M&G Investments. Wie gefällt Ihnen das Unternehmen bisher und worauf freuen Sie sich am meisten?

Mein erster Eindruck ist, dass es hier viel Energie, Talent und wirklich nette Menschen gibt. Die Anlageergebnisse sind gut und die Qualität unserer Mitarbeiter ist außergewöhnlich. Daher ist es für mich am spannendsten, mich auf Wachstum zu konzentrieren, eine größere Reichweite zu erzielen und unsere Produkte und Kompetenzen mehr Kunden an mehr Orten zur Verfügung zu stellen. 

Erzählen Sie uns bitte von den Anfängen Ihrer Karriere – wie Sie in der Investmentbranche begonnen haben, was Ihre erste Stelle war und was Sie dazu motiviert hat, sich auf Anleihen als bevorzugte Anlageklasse zu konzentrieren. 

Ich habe einst ein Auslandsstudium in Spanien absolviert und die Leute um mich herum bewarben sich für Sommerpraktika. Ich hatte nichts anderes zu tun, also dachte ich, ich bewerbe mich ebenfalls für ein Sommerpraktikum. Ich war immer am Finanzsektor interessiert, aber ich verstand anfänglich „The City“ nicht wirklich, um ehrlich zu sein. Nach einem Sommerpraktikum bei Citi, das einen Job im Graduiertenprogramm nach sich zog, wurden mir die Augen geöffnet.

Der Fokus auf Anleihen ergab sich, wie so oft im Leben, aus einer Chance. Es gab die Möglichkeit, aus dem Trainee-Programm heraus einen „richtigen Job“ in einem globalen Anleiheteam anzutreten. Dort war es üblich, dass jeder Lead Portfoliomanager mit einer Nachwuchskraft zusammenarbeitete. Das klang nach einer guten Gelegenheit zum Lernen, und ich bekam meine eigenen Marktsegmente zugeteilt, auf die ich mich konzentrieren konnte. Meine weitere Laufbahn führt mich zu einem bankeigenen Asset Manager, einem Asset Manager für Versicherungen, einer Investment-Boutique und einen unabhängigen Asset Manager. Dabei verbrachte ich über ein Jahrzehnt in den USA. Schließlich kam ich zu M&G, dem meiner Meinung nach führenden Manager für festverzinsliche Wertpapiere in Europa.

Welche Marktsituation war in Ihrer Karriere die größte Herausforderung – und was haben Sie daraus gelernt?

Ich habe schon einige Krisen miterlebt, aber ich würde sagen, die globale Finanzkrise war die größte. Damals arbeitete ich für eine sehr kleine Firma.

Ich hatte London verlassen und war nach Kalifornien gezogen. Ich begann dort im Juli 2007 und die Finanzkrise kündigte sich bereits an. Es war ziemlich besorgniserregend, wie schnell sich die Dinge auf dem Markt entwickelten und wie langsam die Reaktion von Regierungen und Aufsichtsbehörden ausfiel.

Wir hatten eine klare, gut definierte Anlagephilosophie und einen entsprechenden Investmentprozess und wir wussten, dass wir die Krise unbeschadet überstehen würden, wenn wir uns daran hielten. Gleichzeitig würden sich unsere Kundenbeziehungen festigen. Wenn man in einem kleinen Unternehmen arbeitet, in dem jeder einzelne Dollar, den man managt, von externen Kunden stammt, kann es ziemlich belastend sein, wenn man etwas nicht richtig macht. Man wird jeden Tag auf die Probe gestellt, um zu rechtfertigen, warum man mit diesen Kunden zusammenarbeitet – und wir standen im Wettbewerb mit den größten Firmen der Welt.

Unsere Disziplin in Bezug auf die Anlagephilosophie kam uns zugute, nicht unbedingt in jedem einzelnen Quartal, aber über den gesamten Zyklus hinweg. Als die Corona-Krise einsetzte, reagierte die Regierung zwar schneller. Doch auch hier – ich war damals für das Management von Kundengeldern zuständig – sorgte das Festhalten an der Anlagephilosophie und dem Investmentprozess, den die Anleger erwarten, für einen Anker in einem schwierigen Markt.

Indem wir sicherstellen, dass unsere Kunden die Philosophie der Investmentteams verstehen, schaffen wir eine solide gemeinsame Basis für die Höhen und Tiefen am Markt. Es kommt immer etwas Unerwartetes, aber wenn man eine Investmentphilosophie hat, die verschiedene Marktszenarien berücksichtigt und einen durch sie hindurchführen kann, ist das ein enorm wichtiger Erfolgsfaktor.

Eine solide Fundamentalanalyse – ob für Unternehmensanleihen, Structured Credit oder Staatsanleihen aus entwickelten Ländern bzw. den Emerging Markets – ist die gemeinsame Grundlage, auf der jedes Team hier arbeitet. Portfoliomanager treffen in ihrem Anlageuniversum ständig relative Werturteile. Aber worauf sich alle verlassen können, ist die Qualität eines leistungsfähigen Researchbereichs – denn so gibt es eine unabhängige Perspektive, die einem beim Investieren Vertrauen gibt.

„Anleihen sind in punkto laufender Ertrag wieder attraktiv.”

Warum sind Anleihen derzeit als Anlageklasse interessant und wie wird sich die Nachfrage danach Ihrer Meinung nach entwickeln? 

Ich bin der Meinung, dass die Anleihenachfrage durch den zugrundeliegenden Bedarf an laufenden Erträgen im Ruhestand angetrieben wird, da die demografische Entwicklung zu einer alternden Bevölkerung führt.

Deshalb glaube ich, dass es eine so interessante Zeit auf dem Markt ist, weil Anleihen jetzt wieder laufenden Ertrag bieten. Das ist nicht wegen kurzfristiger Bewegungen der Fall, vielmehr wurde der Anstieg der Renditen, der mit Inflationssorgen begann, in letzter Zeit durch einen Anstieg der Realrenditen getrieben. Ich glaube, dass dieser Anstieg der realen Renditen zum Teil auf Unsicherheit zurückzuführen ist, aber noch grundlegender auf die Zunahme des globalen Angebots an Staatsanleihen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den richtigen Preis für Investoren zu finden, um all diese Anleihen am Markt unterzubringen.

Ich habe das große Glück, Leiter des Anleihebereichs in einem Unternehmen zu sein, das in dieser Anlageklasse über eine lange Tradition verfügt – und das zu einer Zeit, in der das Kapital strukturell gesehen in unsere Richtung fließen sollte.

Welche Rolle können aktiv gemanagte Anleihenstrategien angesichts erhöhter geopolitischer Risiken sowie politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen in den letzten Jahren in modernen Portfolios spielen? Glauben Sie, dass die Zeit der 60/40-Portfolios vorbei ist?

Die Rolle von Anleihen ist weniger die eines Risikodiversifikators als vielmehr die eines spezifischen Beitrags zur Rendite. Das Ende der extrem lockeren Geldpolitik hat zu einer Normalisierung der Renditen geführt, wobei der Anleihekurs das Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag nun besser widerspiegelt. Ich gehe davon aus, dass Anleihen eher als Renditediversifikator angesehen werden, insbesondere da Aktienportfolios durch die Entwicklung des US-Markts sich immer stärker zu konzentrieren scheinen.

Da die Anleihequoten gestiegen sind – wir gehen davon aus, dass sie aufgrund gestiegener Realrenditen in allen Kundensegmenten weiter zunehmen – müssen Investoren die Diversifizierung ihres Anleihebestands genauso berücksichtigen wie früher bei ihrem Aktienportfolio.

Auch Anleger, die vielleicht weniger stark in Anleihen engagiert sind und sich auf den inländischen Markt in US-, Euro- oder Pfund-Anleihen konzentrieren, werden meiner Meinung nach zunehmend auf die Schwellenländer blicken, die in den letzten Jahren wenig populär waren. Sie könnten sich jetzt sagen: Wenn ich zu einem 60/40-Verhältnis aus Aktien und Anleihen im Portfolio zurückkehre – wobei ich nicht glaube, dass viele Investoren bei 40 % waren – aber wenn ich zu diesen Niveaus zurückkehre, möchte ich die Anleiheposition nicht auf den Markt für britische Unternehmenspapiere beschränken. Stattdessen sollte ich eine Mischung aus inländischen Staatsanleihen, Unternehmenspapieren und internationalen oder aus den Schwellenländern stammenden Anleihen haben. So wie man auch ein entsprechend diversifiziertes Aktienportfolio hat.

Haben Sie einen bevorzugten Wirtschaftsindikator oder ein bevorzugtes Marktsignal? 

Mein „Lieblingsindikator“ ist die Zahl der US-Erwerbstätigen, weil der Fokus dabei auf einer einzigen Zahl liegt, die innerhalb von 24 Stunden fast immer vergessen wird. Ich finde es erstaunlich, dass es jeden Monat aufs Neue eine fast immer sofortige Marktreaktion gibt – und zwar eine ziemlich heftige – und die Zahl dann innerhalb weniger Tage in Vergessenheit gerät oder es gibt einen anderen Indikator, der ein völlig gegenteiliges Signal liefert. Es ist wie die Reality-TV-Version eines Wirtschaftsindikators – sofortige Zufriedenheit, weil alle darüber reden, aber es ist nur eine einzelne Zahl, die an sich bedeutungslos ist. 

„Ich lernte koreanisches Essen und koreanisches Fried Chicken in Kombination mit Karaoke kennen. Aber Zuhause ist Zuhause und das ist schwer zu übertreffen.”

Ihre Karriere hat Sie nach London, New York und Kalifornien geführt. Was sind einige Ihrer Lieblingsorte für gutes Essen, und welche Stadt gewinnt dabei? 

Das kommt darauf an. Kalifornien für mexikanisches Essen, New York für koreanisches Essen und London für das zu Hause Gefühl. Ich habe sechs Jahre in Santa Barbara und sechs Jahre in New York verbracht. Jeder erwartet zwar, dass man sagt: „Ich vermisse Kalifornien“, aber wenn man an den US-Finanzmärkten arbeitet, muss man vor 5:00 Uhr morgens im Büro sein und zur selben Zeit wie die Kinder ins Bett gehen.

New York ist eine äußerst kosmopolitische Stadt. Man trifft dort Menschen aus aller Welt, die schon überall gewesen sind. Ich habe in Brooklyn gelebt und in Midtown Manhattan gearbeitet, und es war großartig. Ich habe dort koreanisches Essen kennengelernt und koreanisches Fried Chicken in Kombination mit Karaoke ist andernorts kaum zu finden. Aber Zuhause ist Zuhause, und das ist schwer zu übertreffen.

Wo sind Sie zur Schule gegangen und was haben Sie an der Universität studiert?

Ich habe das Hymers College in Hull besucht, danach bin ich zur Universität nach Birmingham gegangen, um Ökonomie und Spanisch zu studieren. Ich wollte schon immer Wirtschaft studieren, wegen des Finanzaspekts, aber mir war auch klar, dass es viele Leute mit einem Wirtschaftsabschluss geben würde, sodass die Kombination mit einer Sprache meine Jobchancen verbessern würde. Das Jahr in Spanien war das beste Jahr meines Lebens und ich hatte das Glück, dort ein Praktikum zu machen und nach dem Studium eine Stelle zu finden. Wenn man einmal einen Fuß in der Tür hat, liegt alles Übrige an einem selbst. 

Erzählen Sie uns etwas über sich, das die meisten Menschen nicht wissen.

Ich bin einmal als DJ aufgetreten – wenn auch nicht als richtiger – das war während meines Auslandsjahres. Mein Auftritt als DJ war an einem Donnerstagabend in einer Bar in Valladolid, aber fragen Sie mich jetzt bitte nicht nach Musik. 

Was ist Ihre Lieblingsstadt, Ihr Lieblingsort oder Ihr Lieblingsland?

Mein Lieblingsort ist Beverley in East Yorkshire, weil es meine Heimat ist. Viele meiner Freunde leben noch immer dort und wir stehen uns immer noch sehr nahe, obwohl ich nicht mehr dort lebe, seitdem ich 18 bin.

Im letzten Jahr war ich zum ersten Mal in Vietnam und China. Ich habe den Eindruck, dass jeder Ort, den ich neu kennenlerne, sofort zu meinem Lieblingsort wird, bis ich den nächsten entdecke. Es gibt noch so viele Orte, die ich besuchen möchte, dass ich fast nie zweimal an denselben Ort zurückkehren möchte.

Ich glaube, mein Traumziel ist der Ort, an den ich als Nächstes reise, und das ist der Oman.

Was machen Sie gerne, wenn Sie nicht im Büro sind?

Ich habe zwei Töchter, daher verbringe ich viel Zeit damit, sie zu ihren Aktivitäten zu fahren. Abgesehen davon verbringe ich Zeit mit Rugby, Reisen und Essen, wobei ich diese Dinge idealerweise miteinander verbinde. Als wir aus New York zurückkamen, zog ich nach Hertfordshire und die Saracens sind das nächstgelegene Rugby-Team. Einige der Spieler leben in der Gegend und ich freue mich immer, wenn ich im Café hinter einem englischen Spieler in der Schlange stehe.

Welcher Ratschlag hat Ihnen geholfen – und haben Sie einen für diejenigen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen?

Sobald Sie eine Position innehaben, sind drei Interessengruppen an Ihrer Karriereentwicklung beteiligt: Sie selbst, Ihr Vorgesetzter und das Unternehmen als solches. Es muss bei Ihnen als Person beginnen, denn nur Sie wissen wirklich, was Ihnen Spaß macht, worin Sie gut sind und wieviel Einsatz Sie für Ihre Ziele zu bringen bereit sind.

Ihr Vorgesetzter muss Chancen erkennen, die es Ihnen ermöglichen, Ihre Karriere voranzutreiben, sich weiterzuentwickeln und sogar in einen anderen Bereich zu wechseln.

Der dritte Faktor ist das Unternehmen oder genauer gesagt der Erfolg seines Managements, denn es ist das Wachstum des Unternehmens, das die Chancen für Sie schafft.

Letztlich kommt es aber immer auf den Einzelnen selbst an. Viele versuchen, ihre Karriereentwicklung an ihren Vorgesetzten zu delegieren, aber er kann nur begrenzt unterstützen. Sie müssen Ihre Karriereentwicklung selbst definieren, andere Leute können Ihnen dann auf Ihrem Weg zur Seite stehen.

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