Schwellenländeraktien - Ein Ausblick. Stehen die Zeichen günstig für eine Veränderung?

8 min zu lesen 11 Sep. 23

Aktien aus Schwellenländern stehen bei Investoren seit einigen Jahren nicht hoch im Kurs. Sie sind hinter den Aktienmärkten der Industrieländer zurückgeblieben – besonders hinter dem US-Markt. Unserer Einschätzung nach könnte sich diese Phase ihrem Ende nähern und eine Erholung einsetzen. Stärker werdende Fundamentaldaten, ein besseres Verhalten der Unternehmen, attraktive relative Bewertungen: Wir sehen vielversprechende Aussichten für die Schwellenländer. 

Der Wert der Investments kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.

Die Stimmung der Investoren gegenüber Schwellenländeraktien ist schon seit einiger Zeit getrübt. Ein Blick auf die relative Performance der Schwellenländer in den letzten Jahrzehnten zeigt ein wechselndes Muster. In manchen Phasen war die Performance deutlich besser als in den USA und bei globalen Aktien. Die letzten zehn Jahre haben sich für die Schwellenländer jedoch als schwierig erwiesen (Abbildung 1).

Wir sind fest davon überzeugt, dass diese aktuelle Schwächephase zu Ende gehen können. Das Blatt könnte sich also wieder zugunsten der Schwellenländer wenden. Die Dynamik hinter dieser möglichen Neubewertung ist unserer Meinung nach bereits in vollem Gange, und sie wird von den Investoren immer stärker wahrgenommen. Welche Gründe sehen wir für eine solche potenzielle Trendwende?

Grund #1: Verändertes Verhalten der Unternehmen

Für Investoren in Schwellenländern (EM) waren die letzten Jahre äußerst schwierig: Die Renditen waren schwach und lagen unterhalb der entwickelten Märkte; besonders hinter US-Aktien blieben sie zurück. Die schwankende und allgemein schwache Rentabilität war ein Grund dafür, dass sich die Investoren von dieser Anlageklasse ferngehalten haben. 

Abbildung 1: Wechselhafte Entwicklung: Geht die Schwächephase der Schwellenländer bald zu Ende?

MSCI EM vs. S&P 500 (1987–2023)
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Quelle: Refinitiv Datastream, MSCI, S&P, Juli 2023. Umbasiert auf 100 am 31. Dezember 1987.

Die Anlage in Schwellenmärkten ist mit einem größeren Verlustrisiko verbunden, unter anderem aufgrund höherer politischer, steuerlicher und wirtschaftlicher Risiken, Wechselkursrisiken und aufsichtsrechtlicher Risiken. Es kann Probleme beim Kauf, Verkauf, der Verwahrung oder Bewertung von Anlagen in diesen Ländern geben.

Die Eigenkapitalrendite von EM-Unternehmen ist etwa halb so hoch wie in den USA. Dort haben die Tech-Giganten beachtliche Renditen erzielt.

Mit Blick auf die Zukunft rechnen wir jedoch mit einer Verschiebung dieses Renditeprofils. Früher waren die Unternehmen in den Schwellenländern auf Wachstum ausgerichtet. Etliche investierten zu viel und vernichteten Kapital mit unrentablen Projekten. Jetzt beobachten wir ein verändertes Verhalten, bei staatlichen Unternehmen und Mischkonzernen ebenso wie bei Firmen in privater Hand. Die Unternehmen zeigen eine viel größere Kapitaldisziplin, wenn sie sich für neue Projekte entscheiden. Außerdem konzentrieren sie sich zunehmend auf die Erträge für ihre Aktionäre – etwa in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen.

Diese Verbesserungen bei Kapitalallokation und Bilanzverhalten finden wir ermutigend. Daher sind wir optimistisch, dass dies dazu beitragen kann, die Lücke zwischen Aktien von EM und Industrieländer zu schließen.

Grund #2: Währungsschwäche? Dieses Mal nicht

Die Schwellenländer sind in der Regel anfällig für die US-Zinszyklen. Früher ist dann Geld aus der Anlageklasse abgeflossen, typischerweise in die USA. Dies hat zu starken Verwerfungen bei den Preisen für Schwellenländeranlagen geführt.

2022 und auch im bisherigen Jahresverlauf sieht es ganz anders aus: Wir haben nicht die starken Verwerfungen erlebt wie in früheren Phasen. Offenbar können die Schwellenländer die US-Zinserhöhungen jetzt besser verkraften. Wir haben zwar eine gewisse Währungsschwäche gesehen. Doch in Asien war dies zum Teil mit der Sorge um China und – im Fall von Südkorea – um eine mögliche Verlangsamung des globalen Wachstums verbunden.

Interessanterweise haben sich die lateinamerikanischen Währungen in diesem Zeitraum mit am besten entwickelt (Abbildung 2). Warum? Weil die Zentralbanken in der Region schnell auf die Aussicht reagieren mussten, dass die Inflation – getrieben durch die coronabedingten Anreize in den westlichen Ländern – an ihre Volkswirtschaften weitergegeben wird. 

Infolgedessen haben lateinamerikanische Länder ihre Leitzinsen aggressiv angehoben, was ihre Wirtschaft abbremste. Es erhöhte jedoch die Widerstandskraft ihrer Währungen, was in deutlichem Gegensatz zu früheren Phasen mit Zinserhöhungen steht. Sie profitieren jetzt vom nachlassenden Inflationsdruck: Dies ermöglicht den Zentralbanken der Schwellenländer ein früheres in Betracht ziehen von Zinssenkungen, als in den Industrieländern. Tatsächlich scheint sich der Zinszyklus in den Schwellenländern bereits zu drehen, angeführt von Chile. Die dortige Zentralbank hat bereits im Juli die Zinsen gesenkt. 

Abbildung 2: Währungsdivergenz

Entwicklung der EM-Währungen gegenüber dem US-Dollar (2022 und YTD 2023) 
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Quelle: Refinitiv Datastream, 19. Juli 2023.

Grund #3: Die Fundamentaldaten verbessern sich

Neben einem günstigeren makroökonomischen Umfeld beobachten wir ermutigende Trends auf der Mikroebene, also bei den Unternehmen. Die Aktien der Schwellenländer könnten davon profitieren. Die Ertragslage war für die Investoren in den letzten Jahren eine Quelle der Enttäuschung. In den letzten zehn Jahren sind die Unternehmensgewinne zweimal drastisch gesunken, ehe sie sich wieder erholt haben.

Im Laufe des Jahres 2022 stabilisierten sich die Rentabilitätstrends – gemessen an der Eigenkapitalrendite – jedoch schnell: Vielleicht sogar schneller, als es die Investoren und Marktbeobachter erwartet hatten (Abbildung 3). Wir glauben, dass dies zum Teil auf ein verändertes Verhalten der Unternehmen zurückzuführen ist. Die Firmen in den Schwellenländern haben erkannt, dass die Zeiten des einfachen Wachstums vorbei sind. Sie agieren unserer Meinung nach im Großen und Ganzen professioneller. Zudem beginnen sie zu verstehen, wie wichtig ein effizienter Kapitaleinsatz ist. 

Abbildung 3: Chancen der Schwellenländer – nachhaltig höhere Renditen?

Eigenkapitalrendite (ROE) MSCI EM (%)
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Quelle: Morgan Stanley, Refinitiv Datastream, Juni 2023.

Unserer Meinung nach hat sich die Kapitaldisziplin verbessert. Die Unternehmen investieren gezielter mit Fokus auf die Kapitalrenditen. Zugleich werden sie aktionärsfreundlicher, indem sie mehr Kapital ausschütten. Dies zeigt sich unter anderem in der Dividendenrendite des MSCI EM Index: Diese hat den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt erreicht.

Unserer Ansicht nach sind diese positiven Entwicklungen noch nicht vollständig berücksichtigt. Dies unterstützt einen optimistischeren Ausblick für die Anlageklasse.

Grund #4: Wenig ambitionierte Bewertungen und breites Chancenspektrum

Der Blick auf praktisch jede Kennzahl zeigt, dass EM-Aktien im Vergleich zu globalen und US-Aktien relativ günstig sind (Abbildung 4). Was könnte der Grund dafür sein? Unserer Meinung nach überschattet die negative Stimmung der Investoren einige der positiven Trends, die wir heute in den Schwellenländern beobachten.

Investoren konzentrieren sich oft auf China als den wichtigsten Markt in den Schwellenländern. Wir glauben jedoch, dass es auch in anderen Ländern viele interessante Möglichkeiten gibt. Denn die Schwellenländeraktien sind keine homogene Anlageklasse – sie umfassen Volkswirtschaften mit ganz verschiedenen Antriebskräften und Merkmalen. Hinzu kommt noch das enorm große Spektrum an Unternehmen im globalen Anlageuniversum.

Abbildung 4: Chancen der Schwellenländer – nachhaltig höhere Renditen?

12-Monats-Forward Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI EM
Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Asiatische Märkte wie Südkorea und Taiwan korrelieren bis zu einem gewissen Grad mit dem globalen Wachstum und dem Technologiezyklus. Daher sind sie gegenwärtig recht volatil. Die ASEAN-Region weist andere Merkmale auf und erscheint uns derzeit interessant. Märkte wie Vietnam und Malaysia profitieren davon, dass Unternehmen ihre Lieferketten aus China wegverlagern. Indonesien dagegen ist ein großer Rohstoffproduzent mit einer günstigen Demografie, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln könnte.

Mexiko profitiert aufgrund seiner Nähe zu den USA auch vom „Nearshoring“, also der Verlagerung an nähergelegene Standorte. Die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien im Norden des Landes ist sehr groß. Chancen sehen wir auch in Brasilien, einer weiteren rohstofflastigen Volkswirtschaft. Einige der dortigen Unternehmen gehören unserer Meinung nach zu den am besten geführten der Welt – mit sehr hohen Standards in der Unternehmensführung („Governance“). 

Insgesamt bieten EM-Aktien den Investoren unserer Meinung nach vielfältige Möglichkeiten bei wenig ambitionierten Bewertungsniveaus. Wer global Anlagekapital allokiert, könnte unseres Erachtens davon profitieren – wenn die Trendwende eintritt und der nächste Zyklus der relativen Performance beginnt. 

Der Wert der Investments kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.

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