Ist eine Korrektur am US-Aktienmarkt überfällig?

5 min zu lesen 15 Jan. 25

Die Aktienmärkte befinden sich seit dem Ende der Korrektur im Oktober 2022 in einem äußerst dynamischen Bullenmarkt, was sich in zweistelligen Zugewinnen vieler Aktienindizes im letzten Jahr widerspiegelt. Aus Sicht eines Euro-Anlegers liegt der MSCI AC World Index über die letzten zwei Jahre kumuliert 49 % im Plus, der S&P 500 Index sogar 63 % (jeweils inklusive Dividenden). Auch der DAX konnte in dieser Phase trotz Konjunkturflaute um beeindruckende 43 % zulegen. Unserer Meinung nach liegen diese Renditen deutlich oberhalb von dem, was man als Aktieninvestor langfristig erwarten würde. Daher stellt sich die berechtigte Frage, ob nach einer solchen Phase der rasant steigenden Aktienkurse nicht möglicherweise eine größere Korrektur bevorstehen könnte.

Wertentwicklung ausgewählter Aktienindizes über die letzten zwei Jahre, in % (EUR)

Die frühere Wertentwicklung stellt keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar.

Quelle: Morningstar, 31. Dezember 2024.

Was spricht derzeit für eine Korrektur? 

Tatsächlich sind mit den steigenden Kursen auch die Bewertungen deutlich angestiegen. Das bedeutet, dass die Kurssteigerungen nicht ausschließlich durch höhere Unternehmensgewinne verursacht wurden. Ein signifikanter Teil ist auf einen Anstieg der KGVs zurückzuführen. So lag das KGV des S&P 500 im Oktober 2022 noch bei 18, ist mittlerweile jedoch auf 29 geklettert (Stand 31.12.2024) – ein Anstieg um 50 %. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch beim deutschen Aktienmarkt, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau.

Auch wenn eine hohe Bewertung allein noch lange kein Grund für eine Korrektur oder gar einen Bärenmarkt sein muss, kann sie jedoch zumindest die Fallhöhe beeinflussen. Zur Veranschaulichung ein einfaches Rechenbeispiel: Das durchschnittliche KGV des S&P 500 lag über die letzten zehn Jahre im Median bei 23. Das bedeutet, dass der S&P 500 unter der Annahme konstant bleibender Gewinne bis zu seinem Zehnjahresdurchschnitt theoretisch um 21 % korrigieren könnte. Unter Berücksichtigung eines erwarteten Gewinnwachstums von 7 %, welches in etwa dem langfristigen Durchschnitt entspricht, läge das theoretische Korrekturpotential bis zum Ende des Jahres somit immer noch bei rund 15 %. Historisch betrachtet wäre der Index dann wohlgemerkt weder besonders teuer noch besonders günstig. Selbst ohne böse Überraschungen – wie z. B. eine Rezession in den USA – wäre eine Korrektur von 15 % daher nicht wirklich abwegig.

Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 und heutiger Abstand zum historischen Median

Quelle: Refinitiv Datastream, 31. Dezember 2024.

Größere Korrekturen werden jedoch in der Regel durch marktpsychologische Faktoren ausgelöst. In diesem Zusammenhang spielen die durchschnittlichen Erwartungen der Marktteilnehmer und das Marktsentiment eine entscheidende Rolle. Negative Nachrichten müssen nicht zwangsweise zu fallenden Aktienkursen führen, wenn das Marktsentiment und die Erwartungen der Marktteilnehmer pessimistisch sind. Ein Anstieg des Aktienmarktes trotz eines pessimistischen Sentiments kann sogar auf weiteres Kurspotential hindeuten. In diesem Zusammenhang wird im angelsächsischen Raum häufig der Ausdruck „der Markt erklimmt eine Wand der Sorgen“ verwendet. Sind die Markterwartungen jedoch zu optimistisch und das Marktsentiment zu sorglos, so können bereits leicht negative Überraschungen ausreichen, um eine Korrektur auszulösen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Korrektur aus dem Jahr 2022, als in erster Linie der Technologiesektor und die Wachstumstitel – und hier v. a. die unprofitablen Unternehmen – unter die Räder kamen und damit der spekulative Exzess aus den Monaten zuvor beendet wurde.

Wie ist das heutige Marktumfeld zu beurteilen?

Aufgrund der Tatsache, dass sich viele wichtige Aktienmärkten nahe ihrer Allzeithochs befinden, kann man derzeit wohl kaum von einem ausgeprägten Pessimismus sprechen. Bezogen auf den US-Aktienmarkt scheint der fast schon überschwängliche Optimismus nach der Wahl von Donald Trump als neuen US-Präsidenten jedoch erste Risse bekommen zu haben. Und das trotz – oder gerade wegen – der zuletzt gemeldeten starken US-Wirtschaftsdaten. Denn aufgrund der robusten Datenlage haben die Marktteilnehmer ihre Erwartungen für weitere Zinssenkungen der US-Fed deutlich zurückgeschraubt. Das Ergebnis waren rasant steigende Renditeniveaus bei den langlaufenden US-Staatsanleihen, die nun wiederum die sportlichen Bewertungen vieler US-Aktien in Frage stellen – so die weitläufige Interpretation der Marktteilnehmer. Wenn die Aktienkurse in einer Phase mit optimistischem Sentiment bei positiven Nachrichten plötzlich entgegen der Intuition beginnen zu fallen, dann könnte das ein Indiz für zu optimistische Erwartungen sein. In diesem Fall sollte man sich möglicherweise besser anschnallen.

Aus technischer Sicht befindet sich der US-Aktienmarkt seit Dezember in einer Konsolidierungsphase (Stand 10.01.2025) aus der durchaus eine Korrektur entstehen könnte. Für einen Bärenmarkt (Verluste von deutlich über 20 %) müssten jedoch neben einer Kehrtwende beim Sentiment wohl weitere Faktoren hinzukommen, wie z. B. eine unerwartete scharfe Rezession (in den USA gibt es hierfür kaum Anzeichen) oder eine drastische Eskalation in den globalen Handelsbeziehungen (nicht ausgeschlossen, aber in der Schärfe eher unwahrscheinlich). 

Steigende Renditeniveaus als möglicher Auslöser einer Korrektur?

Ein Risiko das man insbesondere in Bezug auf den US-Aktienmarkt im Auge behalten sollte, ist der rasante Anstieg der langlaufenden Staatsanleiherenditen in den USA. Sollte die US-Inflation im Laufe des Jahres plötzlich wieder aufflammen (nicht unser Basisszenario, aber auch nicht ausgeschlossen), könnte dies mit weiter steigenden Renditeniveaus entlang der Zinsstrukturkurve einhergehen, was die Bewertungen der Aktienmärkte und somit deren Kurse stärker unter Druck bringen könnte. Die steigenden Renditeniveaus könnten sich daher aus meiner Sicht als wahrscheinlichster Auslöser einer längst überfälligen Korrektur am US-Aktienmarkt herausstellen.

Der Wert der Vermögenswerte eines Fonds kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen kann, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst werden.

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