Makroökonomie und Politik
15 min zu lesen 15 Dez. 25
Das Jahr 2025 war geprägt von zwei Entwicklungen: Die starke Wertentwicklung der meisten Anlageklassen stand im Widerspruch zu der fortbestehenden Unsicherheit und Volatilität. Geopolitische Spannungen, wachsende fiskalische Belastungen und die Furcht vor einer KI-Blase treiben die Investoren weiterhin um. Eine wichtige Frage kurz vor Beginn des neuen Jahres lautet daher: Können die Märkte ihre positive Dynamik fortsetzen?
Kurz vor dem Jahresauftakt teilen die Chief Investment Officer (CIOs) und weitere Experten von M&G Investments ihre Einschätzungen zu ihren jeweiligen Anlageklassen: Aktien und Multi Asset, Anleihen und Private Markets. Sie geben Orientierung für das derzeit schwierige Umfeld.
Tristan Hanson
Co-Manager, M&G Episode Macro Strategy
Im Jahr 2025 haben die meisten wichtigen Anlageklassen positive Renditen erzielt – trotz wiederholter Schocks. Allerdings hat sich unter den Investoren ein Gefühl der Unsicherheit ausgebreitet. Nach Einschätzung von Tristan Hanson, Co-Manager der M&G Episode Macro Strategie, tragen dazu auch die hohen Aktienbewertungen und die Sorgen um die Kreditqualität bei. Hinzu kommen die bestehenden Probleme der politischen Unvorhersehbarkeit und der ausufernden Staatsverschuldung.
Investoren diskutieren derzeit leidenschaftlich darüber, ob wir uns in einem KI-Boom oder einer KI-Blase befinden. Hanson hält es für sinnvoller, stattdessen nach Anzeichen für emotional getriebenes Verhalten zu suchen: Konzentrieren sich die Investoren auf Renditen oder auf Verlustrisiken?
„Es besteht eine große Begeisterung zum Potenzial einiger Unternehmen, mit KI Geld zu verdienen. Das birgt die Gefahr einer Enttäuschung, wenn einige der geplanten Investitionen geringer ausfallen oder eher zyklischer Natur sind“, sagt er.
Jenseits des KI-Hypes erwartet Hanson, dass die Zentralbanken 2026 wieder stärker in den Fokus rücken werden. Der Markt preist für das nächste Jahr in den USA Zinssenkungen um etwa 100 Basispunkte ein. Die hartnäckige Inflation und der politische Druck könnten der US-Notenbank jedoch die Arbeit erschweren.
Hanson zufolge könnten sich die Märkte auch im neuen Jahr als widerstandsfähig erweisen – doch ebenso könnte der Optimismus der Investoren auf die Probe gestellt werden. Zudem werden auch im kommenden Jahr unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Ein disziplinierter, diversifizierter Ansatz kann Investoren potenziell dabei helfen, 2026 langfristig Value zu finden.
Fabiana Fedeli
CIO Equities, Multi Asset and Sustainability
Seit Ende 2022 treibt das KI-Thema die Märkte an: Nun beginnen sich die Investoren zu fragen, ob der „KI-Goldrausch“ demnächst enden könnte.
Fabiana Fedeli, CIO Equities, Multi Asset and Sustainability, hat dazu eine klare Meinung: „KI ist keine Blase. Die Technologie hat sich zu einem leistungsstarken Werkzeug entwickelt, der generativen KI, die unsere Lebens- und Arbeitsweise strukturell verändern kann.“
Die Stärke der KI sieht Fedeli in ihrer Allgegenwärtigkeit: Sie ist in einer Vielzahl unserer täglichen Prozesse, Produkte und Dienstleistungen einsetzbar. Und wir stehen erst am Anfang einer breiteren Anwendung.
Falls es eine Blase gibt, sieht Fedeli sie nicht bei der Technologie, sondern bei den Bewertungen einer Gruppe von Unternehmen. Wie geht es weiter mit diesen Aktien? Fedeli nennt drei mögliche Szenarien:
Jedes dieser Szenarien könnte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten. Fedeli betont jedoch, dass das Timing für Investoren genauso wichtig ist wie die Auswahl der richtigen Titel. Sie hält ein breiteres Anlagespektrum für sinnvoll, um KI-bezogene Chancen zu nutzen: „Der weltweite KI-Boom hat KI-Unternehmen insgesamt begünstigt, der Rückenwind lässt nun jedoch nach. Darum ist es wichtig, passive Engagements in KI-Aktien aufzugeben und einen aktiveren Investitionsansatz zu verfolgen“, betont sie.
Neben den „KI-Unterstützern“ – also den Lieferanten der Schlüsseltechnologie – sieht Fedeli zwei weitere Gruppen von Gewinnern: Dies sind zum einen Unternehmen, die mit KI wirtschaftliche Ressourcen effizienter einsetzen; zum anderen sind es Firmen, die diesen Prozess durch ihre Dienstleistungen unterstützen.
Mit Blick auf 2026 sollten wir uns Fedeli zufolge nicht fragen, ob wir uns in einer KI-Blase befinden. Die Frage sollte vielmehr lauten: Welche attraktiv bewerteten Unternehmen nutzen still und leise die Vorteile der KI und bieten deshalb Aufwärtspotenzial? Die Antwort erfordert eine rigorose Due Diligence, um Hype von Substanz zu trennen und die möglichen Gewinner von morgen zu identifizieren.
Andrew Chorlton
CIO Fixed Income
Niedrige Zinsen und die quantitative Lockerung prägten das Jahrzehnt nach der globalen Finanzkrise. Dies verzerrte das Risiko so stark, dass Anleihen nur noch eine sehr geringe Rendite abwarfen. Im Jahr 2025 sind die Renditen von Staatsanleihen jedoch wieder auf ein gesundes Niveau zurückgekehrt.
Angesichts der attraktiven Realrenditen an den Rentenmärkten sieht Andrew Chorlton, CIO Fixed Income, bei Anleihen attraktive Chancen – auch im Vergleich zu Aktien. Staatsanleihen liefern derzeit rund 80 % der Gesamtrendite von Investment-Grade-Anleihen. Nach seiner Einschätzung bieten Staatsanleihen eine attraktive Ertragsquelle ohne ein zusätzliches Kreditrisiko: Denn die Zinsen fallen und die historisch engen Kreditspreads könnten sich ausweiten.
Chorlton zufolge sind die Zentralbanken derzeit auf einer schwierigen Gratwanderung unterwegs: Sie müssen den Spagat zwischen der Einhaltung ihres Inflationsziels und der Bewältigung der schleppenden Wachstumsraten in den Industrieländern schaffen. „Während wir sichtbare Anzeichen einer Abschwächung der Wirtschaft erkennen können, bleibt eine falsch gesteuerte Inflation eine potenziell zerstörerische Kraft“, stellt er fest.
Dieser Balanceakt wird durch den erneuten politischen Druck auf die US-Notenbank zusätzlich erschwert. 2026 wird ein entscheidendes Jahr für die Unabhängigkeit der Fed, da US-Präsident Trump einen Nachfolger für den scheidenden Vorsitzenden Jerome Powell ernennen wird. Kurzfristig könnte der Präsident diesen Prozess nutzen, um die Notwendigkeit weiterer Zinssenkungen zu betonen. Langfristig würde dies jedoch die Glaubwürdigkeit der wohl wichtigsten Zentralbank der Welt beschädigen.
Die Industrieländer hatten in den letzten Jahren mit makroökonomischen Unsicherheiten, einer verschlechterten Haushaltslage und Volatilität zu kämpfen. Im gleichen Zeitraum haben sich die Schwellenländer als äußerst widerstandsfähig erwiesen, und sie bieten eine überzeugende Alternative zu den Industrieländern.
Ein insgesamt niedrigerer Verschuldungsgrad der Staaten und Unternehmen, anhaltend starkes Wachstum, sinkende Abhängigkeit vom US-Dollar und US-Konjunkturzyklus: Vor diesem Hintergrund hält Chorlton die Schwellenländeranleihen für einen attraktiven Bereich für Anleiheninvestoren – besonders für diejenigen, die eine Diversifizierung anstreben. Denn wenn eines sicher ist, dann sind es die zunehmenden Unsicherheiten am Horizont.
Emmanuel Deblanc
CIO, Private Markets
Emmanuel Deblanc, CIO Private Markets, blickt für 2026 optimistisch auf die Private Markets. Das Zinsumfeld scheint stabiler zu sein, der IPO-Markt beginnt wieder anzuspringen – was den Kapitalrückfluss für neue Investitionen ermöglicht –, und es gibt Anzeichen für eine erneute Fokussierung auf die operative Wertschöpfung.
Bei Private Equity ist das Underwriting disziplinierter geworden. Zudem expandiert der Private Credit-Bereich weiter, und die Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Krediten verschwimmen zunehmend. Außerdem gibt es auf den Private Markets einen aufgestauten Bedarf, vorhandenes Kapital („Dry Powder“) einzusetzen und seit längerem gehaltene Vermögenswerte zu veräußern. Dieser Druck könnte die Transaktionsaktivitäten in naher Zukunft ankurbeln.
Deblanc hält Private Credit nach wie vor für eines der dynamischsten Segmente, da es mehr Diversifizierung, höhere Renditen und attraktive variable Zinssätze bietet. Während die Diskussionen über mögliche systemische Risiken im Bereich Private Credit zunehmen, hält er es dabei für wichtig, die Unterschiede zwischen den beiden Hauptmärkten zu berücksichtigen: USA und Europa.
In Europa waren die risikobereinigten Renditen und die Kreditqualität historisch gesehen höher als in den USA, mit höherer Zinsdeckung und niedrigeren Ausfallquoten.1
Für den Bereich Private Equity stellt Deblanc fest, dass die zugrunde liegende operative Entwicklung weiterhin solide ist. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass sich der IPO-Markt teilweise erholt – eine Nachfrage ist eindeutig vorhanden. „Es gibt eine lange Pipeline an aufgestauten Börsengängen. Falls sich dies 2026 fortsetzt und von einigen potenziell großen Private-Equity-Exits begleitet wird, dürfte es die übergeordneten Exit-Zahlen verbessern und das Vertrauen der Investoren stärken“, sagt er.
Mit Blick auf das Jahr 2026 sieht Deblanc die attraktivsten Chancen in hochgradig transformativen Sektoren. Technologieorientierte Branchen – wie Klimatechnologie, Fintech, Cybersicherheit und Gesundheitstechnologie – sowie innovative Treiber der Energiewende und des ökologischen und gesellschaftlichen Wandels können seiner Meinung nach hochattraktive Renditen erzielen. Weitere Zinssenkungen dürften sich 2026 ebenfalls als Rückenwind für Private Equity erweisen und sowohl Transaktions- als auch Exit-Aktivitäten unterstützen.
Richard Gwilliam
Head of Property Research
Der globale Immobilienmarkt stabilisiert sich nach zwei Jahren ausgeprägter Neubewertungen und eingefrorener Liquidität, doch die Erholung verläuft alles andere als einheitlich. Die Renditen haben ein neues Basisniveau gefunden, die Stimmung hellt sich auf und die Deal-Aktivität kehrt zurück. Allerdings werden strukturelle Kräfte – und nicht kurzfristige Erholungsphasen – den nächsten Zyklus bestimmen, sagt Richard Gwilliam, Head of Property Research. Das Kapital bewegt sich in Richtung Sicherheit und Widerstandsfähigkeit. Gefragt sind Vermögenswerte, die volatilen Phasen standhalten und nachhaltiges Wachstum liefern können.
Europa und der asiatisch-pazifische Raum (APAC) führen die Erholung an, da Investoren eine Diversifizierung über die USA hinaus anstreben. Das Transaktionsvolumen in Europa wird voraussichtlich um 7 % gegenüber dem Vorjahr steigen. In der APAC-Region sind die grenzüberschreitenden Investitionen um 88 % gestiegen, getrieben von politischer Unterstützung und niedrigeren Finanzierungskosten. Gwilliam zufolge haben sich Südkorea, Japan und Australien zu wichtigen Drehkreuzen entwickelt – dies verstärkt die Verlagerung hin zu Märkten, die Stabilität mit Wachstumspotenzial verbinden.
Für Gwilliam unterstreicht die Entwicklung in verschiedenen Segmenten, wie ungleichmäßig die Erholung verläuft. „Büros in erstklassigen zentralen Geschäftsvierteln bleiben gefragt, während zweitrangige Bestände angesichts hybrider Arbeitsmodelle und ESG-Druck zunehmend veralten“, beobachtet er. Die Logistikbranche tritt in eine selektive Phase ein, in der sich zentral gelegene Drehkreuze in wichtigen Ballungsräumen besser entwickeln als Objekte in Randgebieten. Der Wohnimmobiliensektor bleibt aufgrund des chronischen Angebotsdefizits und demografischer Trends widerstandsfähig, während sich ausgewählte Einzelhandelsstandorte dank erlebnisorientierter Konzepte erholen.
Gwilliam ist der Meinung, dass künftig strukturelle Themen die Renditen prägen werden: KI-getriebene Veränderungen am Arbeitsplatz, demografischer Druck auf den Wohnungsmarkt, Modernisierung der Lieferketten und Nachhaltigkeit als Kapitalfilter. Seiner Ansicht nach werden die Gewinner des nächsten Zyklus nicht diejenigen sein, die einfach nur auf einer Erholungswelle mitschwimmen. Es werden diejenigen sein, die sich neu erfinden – indem sie ESG-Kriterien einbetten, Technologien nutzen und ihre Strategien auf langfristige Nachfragetreiber ausrichten.
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