Aktien und Multi Asset Ausblick – Q1 2025

6 min zu lesen 3 Feb. 25

Makro-Mythos entlarvt

  • Die unterstellte Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und der Aktienmarktentwicklung ist alles andere als eindeutig. Ein falsches Verständnis davon kann es für Investoren erheblich erschweren, Renditen zu erzielen.
  • Makro- und geopolitische Faktoren spielen für Aktien nur dann eine Rolle, wenn sie sich spürbar auf die operative und finanzielle Leistung der Unternehmen auswirken. Firmen können ihre Gewinne auch in einem schlechten makroökonomischen Umfeld steigern.
  • Die makroökonomischen Faktoren können sich jedoch in indirekter Form auch über die Währungen auf die Aktienmärkte auswirken. So kann die Währungsumrechnung einen bedeutenden Effekt auf die Renditen haben.
  • Von „higher for longer“ der US-Notenbank (Fed) bis hin zu Deutschland, dem „kranken Mann Europas“: Pauschale Reaktionen auf makroökonomische Daten können zu Anlagechancen für aktive Investoren führen.

Der Wert eines Investments kann sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass Preise steigen und fallen können, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben. Bitte beachten Sie, dass bei Erwähnung von Wertentwicklungen die frühere Wertentwicklung keinen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung darstellt.

Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten sollten nicht als Empfehlung, Beratung oder Prognose aufgefasst und nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers betrachtet werden.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag (auf Englisch)

 

Aktien folgen den Unternehmen, nicht dem großen Ganzen

Ich lese gerne, und ich liebe die Märkte. Jedes Jahr zum Jahresende speichere ich einige Marktausblicke auf meinem Laptop und freue mich darauf, sie im Urlaub zu lesen – sehr zum Ärger meines Mannes. In diesem Jahr ließen sich die Themen schon vor einem Blick in die Zusammenfassung erahnen: Was bedeuten die Trump-Zölle für die USA und den Rest der Welt? Wie gehen die Zentralbanken weiter vor? Begleitet uns das höhere Zinsniveau noch für längere Zeit? Setzen sich die Sonderrolle der USA und die Outperformance der US-Aktienmärkte fort, vor dem Hintergrund eines schwachen Europas und eines noch schwächeren Chinas?

Die meisten Veröffentlichungen geben Prognosen über das Gesamtbild ab und folgen dann mit Extrapolationen über die Marktentwicklung für das Jahr 2025. Beginnen wir mit festverzinslichen Wertpapieren. Die höheren Zinssätze und das Angebot an Staatspapieren (oder die Sorge darum) beeinflussen naturgemäß die Renditekurve.

Dann zu den Aktien. Entscheidet eine schwache oder starke Wirtschaft tatsächlich über die Chancen auf den Aktienmärkten? Bis zu einem gewissen Grad schon, aber nicht in dem Maße, wie viele es offenbar annehmen. Unserer Meinung nach ist die unterstellte Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und der Aktienmarktentwicklung alles andere als eindeutig. Ein falsches Verständnis davon kann es für Investoren erheblich erschweren, Renditen zu erzielen.

Schauen Sie sich die Aktienmärkte im Jahr 2024 an. Der größte Markt mit der besten Performance weltweit waren nicht die USA, sondern China. Der Hang Seng China Enterprises Index erzielte eine Gesamtrendite von 31,2 % in HKD bzw. 32,0 % in USD gegenüber einer Gesamtrendite des Nasdaq Index von 29,6 %. Dabei war China im vergangenen Jahr wohl die schwächste aller großen globalen Volkswirtschaften.1

Und dann ist da noch Deutschland. Im Jahr 2024 erzielte der DAX Index eine Gesamtrendite von 18,9 % in EUR bzw. 11,7 % in USD. Das ist weniger als die 25,5 % des S&P 500 Index. Doch es ist nicht schlecht für eine Volkswirtschaft, die als „kranker Mann Europas“ bezeichnet wurde. Wie kam es dazu? Nun, 13 der 40 Aktien aus dem DAX legten auf EUR-Basis um mehr als 20 % zu; auf USD-Basis sind es 12 Titel. Diese Aktien waren die treibenden Kräfte der Indexentwicklung.2 

Der italienische und der spanische Aktienmarkt erzielten jeweils eine Gesamtrendite von 18,9 % in EUR bzw. 11,7 % in USD; der Unterschied ist auf die jüngste Dollarstärke zurückzuführen.3 Interessant ist, dass in beiden Fällen etwas mehr als ein Drittel der Rendite aus Dividenden stammte. Vielleicht ist das ein gutes Thema für unseren nächsten Quartalsausblick.

Diese eher dissonante Entwicklung des allgemeinen Wirtschaftswachstums und der Renditen der Aktienmärkte gibt es nicht erst seit 2024. Das nachstehende Schaubild zeigt das Verhältnis zwischen dem realen BIP-Wachstum eines Landes und den annualisierten Renditen seines inländischen Aktienmarktes im letzten vollständigen Fünf-Jahres-Zeitraum, für den uns die BIP-Daten vorliegen. 

Die Renditen der Aktienmärkte sind zur besseren Vergleichbarkeit in USD angegeben. Schon auf den ersten Blick zeigt sich eine geringe Korrelation zwischen Aktienrenditen und BIP-Wachstum: Einige Märkte mit niedrigem BIP-Wachstum schneiden relativ gut ab, einige mit hohem BIP-Wachstum vergleichsweise schlecht. Der R2-Wert  für die jeweiligen Zeiträume legt einen ähnlichen Schluss nahe:4 Das inländische BIP-Wachstum erklärt weniger als 1 % der Performance-Schwankungen der Aktienmärkte. 

Warum ist das so? 

Die Aktienmärkte werden von den Erträgen, den Ertragserwartungen und der Frage bestimmt, ob diese bereits in die Bewertungen eingeflossen sind. Daher wirkt sich das makroökonomische Wachstum am direktesten über das Ertragswachstum darauf aus, wie sich der Aktienmarkt entwickelt. Unser Multi-Asset-Team hat versucht herauszufinden, warum diese Auswirkungen eher gering sind. Folgende drei Schlussfolgerungen stehen dabei im Vordergrund: 

Allen voran: Timing. Makrodaten sind meist rückwärtsgerichtet, während die Aktienmärkte von Erwartungen getrieben werden.

Zweitens: Genauigkeit. Makrodaten sind mitunter sehr schwer zu erheben und werden häufig revidiert. Drittens: Komplexität. Makrodaten existieren nicht im luftleeren Raum, sondern überschneiden sich mit anderen Datenpunkten. Daher sind ihre Folgen alles andere als linear. Im Januar 2024 beispielsweise waren die US-Zinssätze so hoch wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Man konnte also mit Fug und Recht annehmen, dass die US-Wirtschaft darunter leiden würde. Doch dies erwies sich als falsch. 

Wenn ich mich in meine frühere Rolle als Fondsmanagerin versetze, würde ich noch einen vierten Grund anführen. Viele Unternehmen können ihre Gewinne auch in einem eher schwachen makroökonomischen Umfeld steigern. Wie unser Global Investment Team betont, hängt das Gewinnwachstum nicht nur von dem Markt oder den Märkten ab, in denen ein Unternehmen tatsächlich aktiv ist (diese können sich vom Land der Börsennotierung unterscheiden). Auch auf Produktrelevanz, Innovation und Qualität kommt es an, die operative und bilanzielle Stärke und Effizienz zählen, und letztlich ist ein starkes Managementteam wichtig. Natürlich sollte man den makroökonomischen Hintergrund stets berücksichtigen, doch nicht als allgemeines und allumfassendes Barometer für die Entwicklung des Aktienmarktes. 

Ein Beispiel dafür liefert im vergangenen Jahr die Entwicklung der Konsumgüterunternehmen. Unser Consumer Research Team weist darauf hin, dass die Haushaltsbudgets während des gesamten Jahres 2024 durch Inflation und hohe Zinssätze belastet wurden. Das hat besonders die unteren Einkommensschichten getroffen. Es war daher folgerichtig, eine geringe Konsumneigung zu erwarten. Allerdings sind die Konsumenten zugleich anspruchsvoller geworden, was sich eine Reihe von Unternehmen zunutze machen konnte.

Die „Ein-Dollar-Läden“ Dollar General und Dollar Tree haben 2024 mehr als 40 % ihres Marktwerts verloren. Walmart dagegen hat in seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die Produktpalette und das Kauferlebnis investiert und ein Angebot geschaffen, das bei einer breiten Käuferschicht zunehmend Anklang fand. Dies führte zu Marktanteilsgewinnen, Umsatzwachstum und verbesserter Rentabilität. Der Aktienkurs von Walmart stieg 2024 um 72 %.5

Im Vereinigten Königreich hat Marks & Spencer (M&S) der Konsumzurückhaltung getrotzt. Überzeugende Produkte zu günstigen Preisen und ein bequemer Omnichannel-Vertrieb sorgten für steigende Marktanteile und ein profitables Umsatzwachstum. Die Aktie des Unternehmens legte 2024 um 39 % zu.6 

Und dann gibt es noch das strukturelle Wachstum durch disruptive Innovationen und die Schaffung neuer Märkte – denken Sie beispielsweise an künstliche Intelligenz (KI). Unser Thematic Technology Investment Team zeigt auf, wie Innovation durch außergewöhnliche Produkte und Dienstleistungen zu Erträgen führen kann, die nicht unbedingt vom allgemeinen Wirtschaftswachstum abhängen. 

Natürlich reagieren die Aktienmärkte kurzfristig auf makroökonomische Daten. Am Ende der zweiten Januarwoche beispielsweise hat ein guter US-Arbeitsmarktbericht die Erwartung höherer Renditen ausgelöst, und US-Aktien haben negativ reagiert. Derselbe Aktienmarkt hat vor rund einem Jahr die „higher for longer“ Befürchtungen überwunden und das zweite Jahr in Folge eine Wertentwicklung von über 20 % erzielt. Willkürliche Reaktionen auf makroökonomische Daten können zu Anlagechancen für aktive Investoren führen.

Konnte ich Sie alle davon überzeugen, dass die Makroökonomie keine Rolle spielt? Hoffentlich nicht. Wir glauben zwar, dass es viele Beispiele für eine starke Performance des Aktienmarktes in einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld gibt. Wir sind auch überzeugt, dass der makroökonomische Hintergrund wirklich kein Indikator für die künftige Entwicklung des Aktienmarktes ist. Makroökonomische Faktoren können die Aktienmarktrenditen jedoch sehr wohl beeinflussen. Dies ist der Fall, wenn diese Faktoren einen tatsächlichen oder erwarteten Einfluss auf die Geschäfts- und Finanzergebnisse eines Unternehmens haben.

Nehmen Sie das Beispiel Frankreich. Im Jahr 2024 fiel die Gesamtrendite des CAC 40 Index in lokaler Währung enttäuschend niedrig aus. Auf USD-Basis sank der Wert sogar um 6,0 %. Es gab Bedenken, ob zum Ausgleich des wachsenden Haushaltsdefizits Steuererhöhungen – auch für Unternehmen – und eine Kürzung der öffentlichen Ausgaben notwendig werden. Zusammen mit der anhaltenden Konsumschwäche in China und auf dem Automarkt ließ dies bei vielen Aktien im Index Zweifel an den Aussichten für ein Gewinnwachstum aufkommen. Tatsächlich gab es immer noch eine Reihe von Indexmitgliedern, die im Jahr 2024 eine Rendite von mehr als 20 % erzielten. Um genau zu sein: Es waren neun in lokaler Währung und sechs in USD. Doch das genügte nicht, um den Index in den positiven Bereich zu heben. Als aktive Investoren haben wir natürlich den Vorteil, die Aktien für unsere Portfolios selbst auswählen zu können, so dass die Indexentwicklung weniger Einfluss auf unsere Portfoliorenditen ausübt.

Die makroökonomischen Faktoren können sich jedoch in indirekter Form auch über die Währungen auf die Aktienmärkte auswirken. Ein schwacher makroökonomischer Hintergrund, Bedenken zur Haushaltslage und Zinsunterschiede können eine erhebliche Wirkung auf eine Währung haben und die Währungsumrechnung – auf die Renditen. Dies war jüngst in Japan der Fall, wo der TOPIX-Index eine Gesamtrendite von 20,4 % in JPY und 7,9 % in USD erzielte.7 

Wie unser Investment Team für japanische Aktien anmerkt, gab es auch im Jahr 2024 zahlreiche Aktien mit guter Performance, aus denen ein aktiver Investor wählen konnte. Annähernd ein Viertel der im MSCI Japan Index enthaltenen Titel erzielte auf USD-Basis eine Gesamtrendite von 25 % oder mehr.8

Was bedeutet das für unsere Anlagestrategie bei Aktien?

Unser Head of Impact Equities fasst es so zusammen: Die Kehrseite der US-Sonderrolle scheint der Konsens zu sein, dass Europa dem Untergang geweiht ist. Es fällt in der Tat schwer, sich für das Makrobild zu begeistern. Auch die Innovation im KI-Bereich ist in den USA viel weiter fortgeschritten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das BIP-Wachstum eines Landes oder einer Region nur selten der Motor der Aktienmärkte ist – und in Europa gibt es keinen Mangel an gut geführten Unternehmen mit schwer angreifbarer Wettbewerbsposition. Die Palette reicht von globalen Champions bis hin zu dominanten Nischenanbietern und Firmen mit einem lokalen strukturellen Wachstum. Wir haben die schlechte Marktstimmung und die niedrigen Bewertungen genutzt und in einer Reihe von Sektoren wie Industrie, Basiskonsumgüter und Grundstoffe Chancen gefunden.

Auch in Asien bieten sich nach wie vor zahlreiche Gelegenheiten bei fehlbewerteten Titeln. In Südostasien sind die Märkte über die Auswirkungen höherer US-Zinsen besorgt. Dort gibt es eine Reihe hochwertiger und von strukturellem Rückenwind begünstigter Unternehmen, die mit hohen einstelligen Dividendenrenditen gehandelt werden. Auch im übrigen Asien wurden viele Exporteure aufgrund der befürchteten Zollpolitik von Trump stark herabgestuft. Einige dieser Unternehmen haben jedoch entweder ihre Lieferketten aus China wegverlagert oder sogar ihre Kapazitäten in den USA selbst erweitert. Die jüngsten Ängste am Markt eröffnen unserer Ansicht nach ein attraktives Aufwärtspotenzial.

Zu guter Letzt bleibt unsere langfristige Sicht auf japanische Aktien bestehen: Unserer Überzeugung nach bietet der Markt langfristig ein attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis. Börsennotierte japanische Aktien sind im Vergleich zu ihrem inneren Wert nach wie vor attraktiv bewertet. Das sich ändernde Verhalten der Unternehmen stimmt uns zuversichtlich, dass die „Hilfe zur Selbsthilfe“ für Steigerungen beim Gewinnwachstum und der Marktrendite genutzt wird. Wenn wir eine Vorhersage für Japan im Jahr 2025 machen sollen, dann ist es diese: Wir werden ein weiteres Rekordjahr für Fusionen und Übernahmen sowie für aktive Maßnahmen von Investoren erleben.

Dabei lassen wir den US-Markt keineswegs aus dem Blick. Uns gefallen der Innovationsaspekt und die Technologie, einschließlich der Aktien, die vom KI-Ökosystem profitieren. Angesichts der Konzentration und der engen Fokussierung des Marktes tendieren wir weg von US-Großunternehmen. Stattdessen suchen wir nach interessant bewerteten Chancen in einer Reihe von Sektoren und Endmärkten. Zu den jüngsten Neuzugängen gehören Unternehmen aus den Bereichen zyklische Konsumgüter, Gesundheitswesen, Wohnungswesen und Banken.

In unserer aktuellen Ausgabe erörtern unsere Aktien- und Multi Asset-Investmentteams, wie sich die makroökonomischen Faktoren auf ihr jeweiliges Anlageuniversum ausgewirkt haben bzw. nicht ausgewirkt haben. Sie gehen auch darauf ein, wo sie derzeit Anlagechancen sehen – oftmals in den am wenigsten „einfachen“ makroökonomischen Umfeldern.

Wir wünschen Ihnen eine spannende und – hoffentlich – erkenntnisreiche Lektüre und ein erfolgreiches Jahr 2025.

Fabiana Fedeli
Chief Investment Officer, Equities, Multi Asset and Sustainability

1 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024.
2 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024, Total Return Basis.
3 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024, Madrid Stock Exchange General Index (MADX) und FTSE MIB Index, Gesamtrenditebasis.
4 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024, Kursrenditen in Landeswährung.
5 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024, Kursrenditen in Landeswährung.
6 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024.
7 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024.
8 Quelle: Bloomberg, 31. Dezember 2024.
von M&G Investments

Der Wert der Vermögenswerte des Fonds und die daraus resultierenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen. Dies führt dazu, dass der Wert Ihrer Anlage steigen und fallen wird, und Sie bekommen möglicherweise weniger zurück, als Sie ursprünglich investiert haben.

Ähnliche Insights